Brexit – Und jetzt? - Seite 2
Der seit 1992 markante historische Zusammenhang, wonach steigenden/fallenden ifo Geschäftserwartungen im Jahresvergleich ebenso Kursgewinne/-verluste beim DAX folgten, hat sich seit Mitte 2012 grundsätzlich aufgelöst. Denn das geldpolitische Rettungsversprechen der EZB von Juli 2012 mit Start der tatsächlichen Liquiditätsoffensive ab Januar 2015 und EU-politische Entwicklungen sind gegenüber Fundamentaldaten bei der Aktienentwicklung deutlich in den Vordergrund getreten. Bis sich der Nebel der Unsicherheit im weiteren Umgang der EU mit Großbritannien gelichtet hat, dürfte der politische Einfluss anhalten.
Auch die deutschen Nebenwerte sind nicht vor der grassierenden Eurosklerose gefeit. Allerdings werden sie noch am ehesten fundamental bewegt. Seit 2015 entwickeln sich MDAX und SDAX deutlich besser als der Aktienleitindex DAX. Sie setzen sich aus den Industrieperlen des deutschen Mittelstands zusammen, die mit ihrem spezialisierten Industrie-Know How und zahlreichen wertvollen Patenten in vielen konjunktursensitiven Bereichen Weltmarktführer sind. Vor diesem Hintergrund haben sich vor allem Werte aus dem MDAX während der Euro-Krise 2012 deutlich resistenter gegenüber politischen Krisen gezeigt. Insgesamt profitieren Mittelstands-Aktien einerseits von der zunehmenden Übernahmephantasie, die auf der Finanzierungsseite durch die Zinslosigkeit und auf der Investmentseite durch massive Anlagenotstände geprägt ist. Andererseits kommt ihnen die Globalisierung zugute, die die industriellen Wettbewerber dazu zwingt, über den Zukauf von Spitzentechnologie tatsächlich Weltspitze zu bleiben bzw. zu werden. Nicht zuletzt wegen China, das statt bisher von quantitativem Pionier- auf qualitativ nachhaltiges Wachstum setzt und nebenbei seine in unattraktiven Staatsanleihen gehaltenen massiven Devisenreserven sinnvoll in renditeträchtiges Sachkapital diversifizieren will, wird dieser Prozess der Outperformance von börsennotierten Mittelstandsunternehmen weiter anhalten.
Bundesverfassungsgericht gibt der EZB einen Blankoscheck für Anleiheaufkäufe
Lesen Sie auch
Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat entschieden, dass der Aufkauf von Staatsanleihen einzelner angeschlagener Euro-Staaten rechtmäßig ist. Zwar wurden Bedingungen für derartige Anleihekäufe formuliert. Doch Auflagen, wonach z.B. Ankäufe vorher nicht angekündigt werden dürfen oder das Volumen der Ankäufe begrenzt ist, sind reine Augenwischerei, denn sie konterkarieren die finanzwirtschaftliche Rettung des betreffenden Euro-Landes durch die EZB nicht. Es ist eher zu vermuten, dass diese markant vorgetragenen Bedingungen vor allem der Wahrung der stabilitätspolitischen Illusion der EZB geschuldet sind, die ja Rechtsnachfolger der für ihre Stabilitätspolitik bekannten Deutschen Bundesbank ist. Man könnte auch von stabilitätspolitischen Feigenblättern sprechen.