Irreführung
Aktienrückkäufe - Doping zu Lasten von Investitionen
Es gibt viele legale Möglichkeiten, Unternehmenszahlen schöner darzustellen, als sie es eigentlich sind, und damit die Investoren in die Irre zu führen. Aktienoptionen für Mitarbeiter, zum Beispiel, verwässern zwar das Kapital der Aktionäre, im Lohnaufwand finden sie sich dagegen nicht. Schon ist das Unternehmen vordergründig profitabler.
Kann es sein, dass die Rekordhochs, die Dow Jones, S+P 500 und Nasdaq vor kurzem im Gleichschritt erreicht haben, das Ergebnis kollektiven Dopings ist?
Betrachtet man die US-Börse aus dem Blickwinkel von Cash-Erzeugung und -Verwendung ergibt sich ein Besorgnis erregendes Bild: ein guter Teil der Gewinnsteigerungen der letzten Jahre ist nicht etwa darauf zurück zu führen, dass die Unternehmen wirklich profitabler geworden sind. Sie sind vielmehr die Folge von Aktienrückkaufprogrammen, die den Gewinn pro Aktie alleine dadurch steigern, dass es weniger Aktien gibt. Die aktuellsten Zahlen des Analysehauses Factset für das erste Quartal 2016 zeigen, dass 380 Unternehmen aus dem S+P 500 eigene Papiere im Wert von 166,3 Mrd Dollar zurückgekauft haben. Das bedeutet eine Steigerung um jeweils gut 15 % sowohl im Vergleich zu Q1 als auch zu Q4/2015. Und einen neuen Rekord für die Nach-Rezessionsära. Auch in der längeren Rückschau bis 2005 kannte nur Q3/2007 einen höheren Wert. Insgesamt haben also mehr als 20 Prozent der Unternehmen im S&P 500 Index seit Anfang 2014 den eigenen Aktienumlauf um mehr als vier Prozent reduziert.
Als Anleger mag man sich auf den ersten Blick darüber freuen; schließlich stützt das den Kurs und schafft gute Gelegenheiten, Gewinne zu realisieren. Doch der zweite Blick macht skeptisch: Zum einen bezahlen Unternehmen einen hohen Preis dafür, dass Aktionäre keine Aktionäre mehr sind. Zum anderen sollte das Geld an anderer Stelle fehlen. Oder hat „mein“ Unternehmen gar keine Ideen mehr, in die es lohnen würde zu investieren? Jedenfalls sollten wir Verdacht schöpfen.
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Berechnungen der Credit Suisse zeigen, dass die US-Unternehmen im historischen Durchschnitt immerhin 60 Prozent des Cash-Flows für Investitionen und Firmenübernahmen verwendet haben. Dieser Wert ist auf heute 53 Prozent gesunken, wobei der Anteil der Akquisitionen relativ gestiegen ist. Immer weniger wird in die Zukunft investiert, immer mehr auf die Optimierung des Ist-Zustandes und die Konsolidierung von Märkten gesetzt. Letzteres dürfte in der Tat die nachhaltige Ertragskraft stärken, erhöht aber die Gefahr, technologische Entwicklungen und andere Umbrüche zu verschlafen, deutlich.