Wie Greenspan die Zukunft sieht
Die beiden wichtigsten Fragen unserer wirtschaftlichen und finanziellen Gegenwart lauten:
(1) Werden unsere Volkswirtschaften wieder wachsen und Arbeitsplätze schaffen?
(2) Was wird aus unserer Leitwährung, dem Dollar?
Alan Greenspan hat sich in seiner "Bundesbank Lecture" in dieser Woche sehr ausführlich mit dieser Thematik beschäftigt. In Greenspans Ökonomik kommen zwei Punkten entscheidende Bedeutung zu. Das sind:
(a) die Flexibilität der Märkte und
(b) der Anstieg der Produktivität.
(a) Greenspan argumentiert, dass eine hohe Flexibilität der Märkte auch hohe Defizite und Schuldenstände ohne Krise möglich macht. Derzeit beträgt das US-Leistungsbilanzdefizit etwa 5 Prozent des US-Sozialprodukts. Das ist eine Höhe, die einige Jahrzehnte zuvor niemals ohne Krise hätte durchgestanden werden können. Doch heute führt die Liberalisierung der Märkte dazu, dass selbst hier noch keine Begrenzung zu sehen ist.
Um das zu verstehen, muss man Greenspans Meinung zu Derivaten kennen. Natürlich, so Greenspan in übertragenem Sinne, kann im Vorfeld niemand sagen, ob uns einmal der Himmel auf den Kopf fallen wird. Doch Tatsache ist, dass der Derivate-Markt erlaubt, Risiken, die früher ein einzelner Sektor der Volkswirtschaft tragen musste, nämlich die Banken, heute auf wesentlich mehr Schultern abwälzbar ist. So wäre beispielsweise die Asienkrise 1998 nach Greenspans Meinung ohne diese Risikoverteilung zur großen Krise mutiert, was sie so aber nicht ist. Und für die derzeitige Dollarkrise gilt prinzipiell das Gleiche.
(b) Der Anstieg der Produktivität ist einerseits Grundlage jeden Wachstums, führt andererseits jedoch dazu, dass sich der Druck auf den Arbeitsmarkt verschärft. Denn so lange das Wachstums sich aus Produktivitätsverbesserungen speist, müssen keine neuen Arbeitskräfte eingestellt werden. Doch die Produktivitätsentwicklung ist, wie die von anderen ökonomischen Größen auch, stets zyklisch. Für die nähere Zukunft, so Greenspan, kann man mit einem Abschwung des Produktivitätswachstums zu rechnen, so dass aus der gegenwärtigen "jobless recovery" wieder ein neuer Aufschwung werden sollte.
Insgesamt ist Greenspans Weltbild also ein sehr neoklassisches, neoliberales Gedankengebäude, in dem das Geld erstaunlicherweise kaum eine Rolle spielt. Das ist auch das eigentlich Merkwürdige, wenn man Greenspan zuhört: Der mächtigste Hüter des Geldes in der Welt spricht eigentlich über alles, was es in der Wirtschaft so gibt, nur über eines nicht – und das ist das Geld. Geld ist also Greenspan nur so etwas wie ein "Schmiermittel", was die Märkte einerseits flexibler macht und andererseits dadurch auch vor dem Zusammenbruch retten kann.
berndniquet@t-online.de
P.S.: In der nächsten Woche werde ich auf der 19. Internationalen Kapitalanleger-Tagung des ZfU in Zürich weilen. Hier werden unter anderem der Nobelpreisträger Joseph Stiglitz, Kenneth Fisher, Marc Faber und Felix Zulauf referieren. An skeptischen Zukunftsausblicken wird es also nicht mangeln. Ich erinnere mich noch gut, wie im letzten Jahr alle Zuhörer nach Zulaufs Vortrag den Untergang des Abendlandes leibhaftig vor Augen hatten. Und ich freue mich darauf, mich in diesem Jahr innerlich in die Opposition zu begeben. Weitere Infos finden sich bei www.zfu.ch. Meine nächste Kolumne wird aus diesem Grund erst am Freitag, den 23. Januar, an dieser Stelle erscheinen – und sich natürlich völlig diesem Thema widmen.
(1) Werden unsere Volkswirtschaften wieder wachsen und Arbeitsplätze schaffen?
(2) Was wird aus unserer Leitwährung, dem Dollar?
Alan Greenspan hat sich in seiner "Bundesbank Lecture" in dieser Woche sehr ausführlich mit dieser Thematik beschäftigt. In Greenspans Ökonomik kommen zwei Punkten entscheidende Bedeutung zu. Das sind:
(a) die Flexibilität der Märkte und
(b) der Anstieg der Produktivität.
(a) Greenspan argumentiert, dass eine hohe Flexibilität der Märkte auch hohe Defizite und Schuldenstände ohne Krise möglich macht. Derzeit beträgt das US-Leistungsbilanzdefizit etwa 5 Prozent des US-Sozialprodukts. Das ist eine Höhe, die einige Jahrzehnte zuvor niemals ohne Krise hätte durchgestanden werden können. Doch heute führt die Liberalisierung der Märkte dazu, dass selbst hier noch keine Begrenzung zu sehen ist.
Um das zu verstehen, muss man Greenspans Meinung zu Derivaten kennen. Natürlich, so Greenspan in übertragenem Sinne, kann im Vorfeld niemand sagen, ob uns einmal der Himmel auf den Kopf fallen wird. Doch Tatsache ist, dass der Derivate-Markt erlaubt, Risiken, die früher ein einzelner Sektor der Volkswirtschaft tragen musste, nämlich die Banken, heute auf wesentlich mehr Schultern abwälzbar ist. So wäre beispielsweise die Asienkrise 1998 nach Greenspans Meinung ohne diese Risikoverteilung zur großen Krise mutiert, was sie so aber nicht ist. Und für die derzeitige Dollarkrise gilt prinzipiell das Gleiche.
(b) Der Anstieg der Produktivität ist einerseits Grundlage jeden Wachstums, führt andererseits jedoch dazu, dass sich der Druck auf den Arbeitsmarkt verschärft. Denn so lange das Wachstums sich aus Produktivitätsverbesserungen speist, müssen keine neuen Arbeitskräfte eingestellt werden. Doch die Produktivitätsentwicklung ist, wie die von anderen ökonomischen Größen auch, stets zyklisch. Für die nähere Zukunft, so Greenspan, kann man mit einem Abschwung des Produktivitätswachstums zu rechnen, so dass aus der gegenwärtigen "jobless recovery" wieder ein neuer Aufschwung werden sollte.
Insgesamt ist Greenspans Weltbild also ein sehr neoklassisches, neoliberales Gedankengebäude, in dem das Geld erstaunlicherweise kaum eine Rolle spielt. Das ist auch das eigentlich Merkwürdige, wenn man Greenspan zuhört: Der mächtigste Hüter des Geldes in der Welt spricht eigentlich über alles, was es in der Wirtschaft so gibt, nur über eines nicht – und das ist das Geld. Geld ist also Greenspan nur so etwas wie ein "Schmiermittel", was die Märkte einerseits flexibler macht und andererseits dadurch auch vor dem Zusammenbruch retten kann.
berndniquet@t-online.de
P.S.: In der nächsten Woche werde ich auf der 19. Internationalen Kapitalanleger-Tagung des ZfU in Zürich weilen. Hier werden unter anderem der Nobelpreisträger Joseph Stiglitz, Kenneth Fisher, Marc Faber und Felix Zulauf referieren. An skeptischen Zukunftsausblicken wird es also nicht mangeln. Ich erinnere mich noch gut, wie im letzten Jahr alle Zuhörer nach Zulaufs Vortrag den Untergang des Abendlandes leibhaftig vor Augen hatten. Und ich freue mich darauf, mich in diesem Jahr innerlich in die Opposition zu begeben. Weitere Infos finden sich bei www.zfu.ch. Meine nächste Kolumne wird aus diesem Grund erst am Freitag, den 23. Januar, an dieser Stelle erscheinen – und sich natürlich völlig diesem Thema widmen.