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    Strategien  4266  0 Kommentare Das du-Dilemma in Unternehmen - zwischen Start-Up und Biedermann - Seite 3

    Wie hältst du’s mit dem du?
    Die Stilrichtlinien von Kommunikationsexperten, dem guten alten Knigge oder dem Duden reflektieren die Unsicherheit der Unternehmen. Nichts muss, alles kann. Auf der einen Seite überschwemmen amerikanische und skandinavische Unternehmenskulturen Deutschland, auf der anderen Seite gibt sich gerade die Finanz- und Immobilienwirtschaft weiterhin gern im Kleid des ehrbaren, unnahbaren Kaufmanns – bis vor 20 Jahren galt die formelle Höflichkeit noch offiziell. Der Chef bietet an, die älteren Mitarbeiter, die Männer. Variablen, die über Sie oder du entscheiden, waren demnach Status (Hierarchie), Alter, Unternehmenszugehörigkeit oder Geschlecht. An genau diesen Variablen orientiert sich auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung in der Ausgabe vom 13./14. Mai 2017, die eine entsprechende Entscheidungshilfe präsentiert, wer wem das du anbieten darf. Dies erscheint völlig verknappend, da die Variablen Medium, Kontext sowie Beziehungsqualität völlig verschwiegen werden. 

    Dass vor allem das Medium eine gewichtige Entscheidungshilfe ist, zeigt eine Analyse der schriftlichen Korrespondenz der Volksbank Mittelhessen in E-Mails und schriftlichen Briefen, die 2014 durchgeführt wurde. Die folgende Tabelle veranschaulicht die Entscheidung der Schreibenden bzgl. Anrede, Grußformel und Abbinder (in %):

    Wie die Tabelle zeigt, wird hier also wenig geduzt und es herrscht Uneinheitlichkeit in der Verwendung von Anrede und Abbinder, d.h. eine E-Mail setzt einen anderen Stil voraus als ein Brief. Außerdem wird ersichtlich, dass auch unterschiedliche Gruß- und Schlussformeln verwendet werden. 

    Entscheidungshilfen

    Um mehr Einheitlichkeit und Support bei der Entscheidung zu gewährleisten, empfehlen sich zur Definition mögliche Mustertexte, die je nach Inhalt und Anlass angepasst werden – sie sorgen zudem für Wiedererkennungswert. Es sollte von Beginn an geklärt werden, ob man im wir-Stil verfährt (der tendenziell inkludierend wirkt), in der, eher Distanz suggerierenden, 3. Person spricht (Die Volksbank will) oder beide Formen mischt. Auch die Ansprache des Textadressaten von formell (Guten Tag, Sie) bis hin zum lockeren Ton (Hallo, du, Wir@Unternehmen X) sollte definiert werden. Armin Reins empfahl hierbei schon 2006 sogenannte Sprachstilgruppen. Dies könnte für die Anrede erweitert werden. Ob Sie oder du verwendet werden, hängt nämlich nicht nur von Status (Hierarchie), Alter, Unternehmenszugehörigkeit oder Geschlecht ab, sondern auch von


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    Dr. Simone Burel
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    Dr. Simone Burel ist Geschäftsführerin von LUB GmbH - Linguistische Unternehmensberatung, der ersten linguistischen Unternehmensberatung in Deutschland, die DAX-Konzerne, Kommunen und Organisationen strategisch u.a. zu den Themen CSR, Nachhaltigkeit, Diversity und Gender berät. Nach ihrer Arbeit bei der Personalberatung Schelenz GmbH und der Kommunikationsleitung bei Habona Invest GmbH gründete sie LUB 2015 auf Basis ihrer Dissertation über die Sprache der DAX-30-Unternehmen (Prädikat: summa cum lade). Dr. Simone Burels Arbeit wurde bereits von der Gesellschaft für Angewandte Linguistik sowie dem Karriereportal academics für ihre enorme Praxisrelevanz ausgezeichnet. Ihre Dissertation und kumulative Habilitation wurden von der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, der Baden-Württemberg-Stiftung und dem Management-Programm Auf dem Weg zur Professur der Universität Heidelberg gefördert. Die LUB GmbH wurde 2019 mit dem höchstdotierten kommunalen Existenzgründungspreis, dem Mannheimer Existenzgründungspreis MEXI, prämiert. Dr. Simone Burel agiert als Keynote-Speakerin und in der Weiterbildung zu sprachlichen Themen, u.a. für das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), ist Mitglied im Wirtschaftsrat Deutschland, Mentorin an den Universitäten Mainz und Konstanz, Autorin zahlreicher Publikationen sowie Gastautorin bei wallstreet online.
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    Verfasst von Dr. Simone Burel
    Strategien Das du-Dilemma in Unternehmen - zwischen Start-Up und Biedermann - Seite 3 Während andere Branchen wie PR, IT oder Unternehmensberatungen – Start-Ups sowieso – sich mit ihrer du-Policy brüsten und damit eine Open-Door-Kultur und den Duft von Freiheit etablieren möchten, hält sich die Banken- und Versicherungsbranche noch konservativ-patriarchalisch an den guten alten Ton - und dieser heißt in Deutschland: Distanz, Formalität, Macht, Disziplin – kurz: Sie.

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