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     3947  0 Kommentare Hurra, der Drucker war kaputt!

    Derzeit macht die Börse wieder richtig Spaß, finde ich. Nicht nur, dass die Kurse weiter unbeirrt ansteigen, es wird jetzt auch erneut so lustig wie zu den besten Zeiten. Ich denke da zum Beispiel an den Börsengang von X-Fab, den ersten Börsengang hierzulande seit fast zwei Jahren – mit einem richtig prominenten Emissionskonsortium, bestehend aus ING, DZ-Bank und HSBC Trinkaus & Burkhardt. Also keine selbstgestrickte Billiglösung irgendeines obskuren Brokers, sondern etwas richtig Feines.

    Eigentlich. Denn uneigentlich begann die Zeichnungsfrist für das Papier ohne dass der gesetzliche vorgeschriebene Emissionsprospekt vorgelegen hat. Die Erklärung hierfür ist schlicht Weltklasse: "Der Drucker war kaputt!" hieß es. Und da behaupte noch einer, wir Deutschen seien inzwischen nicht mehr Weltklasse.

    Was jedoch positiv festzustellen ist: In den Jahren 1998 und 1999 kam es bei Börsengängen oft vor, dass der Emissionsprospekt nicht rechtzeitig vorlag. Ich habe das damals in meinen Kolumnen angeprangert, fand es schlichtweg unseriös und fast schon betrügerisch. Doch es wollte schlichtweg niemand hören. Zu groß war die Geilheit auf schnelle Kursgewinne, zu viel Speichel floss tropfend aus den Pawlowschen Mündern, um nun doch endlich noch schnell reich zu werden.

    Heute hingegen wird sehr wohl registriert, was hier für Lächerlichkeiten passieren. Heute wird nicht mehr an das schnelle Reichwerden geglaubt, sondern heute herrscht die Skepsis vor. "Der Drucker war kaputt!" Damals hätte man das gar nicht beachtet, heute hingegen lacht man sich darüber kaputt. Das ist sehr gesund, finde ich.

    berndniquet@t-online.de

    Bernd Niquet
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    DER NEUNTE BAND VON "JENSEITS DES GELDES" IST ERSCHIENEN: Bernd Niquet, Jenseits des Geldes, 9. Teil, Leipzig 2023, 648 Seiten, 23,50 Euro

    Leseprobe: "Jenseits des Geldes".

    Eigentlich war ich vollkommen sicher, dass jetzt die Zeit dieser ganzen Auseinandersetzungen hinter mir lag. Deswegen hatte ich auch extra meine Mietrechtschutzversicherung gekündigt. Dann habe ich aber doch einmal in die Betriebskostenabrechnung hineingeschaut und musste unwillkürlich rechnen. 29.220 Euro im Jahr 2018 für die Reinigung der Treppen und Flure, das sind 93 Euro pro Haus pro Woche. Ich würde das jeweils in zehn Minuten schaffen, doch selbst wenn die ungelernte Hilfskraft zwanzig Minuten braucht, sind das 279 Euro Stundenlohn, den die Leiharbeitsfirma dafür einfährt. Wer dabei nicht an Sizilien denkt, kann eigentlich nicht mehr voll bei Verstand sein.

    Bernd Niquet ist Jahrgang 1956 und wohnt immer noch am letzten grünen Zipfel der Failed Stadt Berlin. Die ersten acht Teile von „Jenseits des Geldes“ sind ebenfalls im Engelsdorfer Verlag erschienen, und zwar in den Jahren 2011, 2012, 2013 sowie 2018, 2019, 2020, 2021 und 2022.

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    Verfasst von Bernd Niquet
    Hurra, der Drucker war kaputt! Derzeit macht die Börse wieder richtig Spaß, finde ich. Nicht nur, dass die Kurse weiter unbeirrt ansteigen, es wird jetzt auch erneut so lustig wie zu den besten Zeiten. Ich denke da zum Beispiel an den Börsengang von X-Fab, den ersten …