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    Marktkommentar  1432  0 Kommentare Anjeza Kadilli/Nikolay Markov (Pictet): Zwei Schwellenländer und ihre Krisen

    In Argentinien und in der Türkei ist die Verschuldung nicht das Hauptproblem.

    Argentinien und die Türkei standen im Mittelpunkt der jüngsten Verkaufswelle. Anleger sollten ihr Augenmerk jetzt auf die Politiker und Regierungen richten, um herauszufinden, wie es mit diesen Ländern weitergeht.

    Verschuldung ist nicht das Hauptproblem

    Argentinien und die Türkei haben beide ein grosses Haushalts- und Leistungsbilanzdefizit. Die Verschuldung ist aber nicht das Hauptproblem. Wie aus Abbildung 1 unten hervorgeht, sind die Staatsschulden gemessen am BIP relativ niedrig.

    Das Hauptproblem ist, dass die Anleger das Vertrauen in die Fähigkeit der Länder verloren haben, die Inflation unter Kontrolle zu bringen.

    Abb. 1: Argentinien und die Türkei gehören zu den am geringsten verschuldeten Märkten gemessen am BIP
    Gesamtverschuldung nach Branchen in Industrie- und Schwellenländern


    Quelle: Pictet Asset Management, BIS, CEIC, Datastream; basierend auf Daten vom 31.07.2018

    Glas halb voll

    In Argentinien hat die Macri-Regierung Ende 2017 die Leitzinsen gesenkt, in der Hoffnung, dass die Inflation dadurch reduziert werden kann, vor allem angesichts der 2019 anstehenden Wahlen. Das war aber zu früh und hatte zur Folge, dass die Anleger das Vertrauen in die Zentralbank verloren, die gezwungen war, die Zinsen um rund 13 Prozentpunkte anzuheben, um der Abwertung der Währung entgegen zu wirken.

    Abb. 2: Argentiniens Zentralbank senkt zu früh die Leitzinsen
    Inflation auf Grundlage des VPI in Argentinien, Zielspanne und Leitzins


    Quelle: Pictet Asset Management, CEIC, Datastream. Daten vom 31.07.2018


    Dieser und andere geldpolitische Fehler kosteten den Chef der Zentralbank seinen Posten und das Land verbrannte Unsummen an Devisenreserven. Infolgedessen haben sich die Wachstumsprognosen halbiert und Argentinien musste Kredithilfen beim IWF beantragen.

    Wir gehen jedoch davon aus, dass das Schlimmste vorerst überstanden ist, sofern die Regierung alles dafür tut, um die Inflation mittelfristig zu bekämpfen. Nach unserer Einschätzung sind die notwendigen fiskalpolitischen Reformen gerechtfertigt, aber ihre Umsetzung erfordert politische Beharrlichkeit, vor allem, weil sie an sich schon inflationär sind. 

    Ausserdem glauben wir, dass eine glaubwürdigere Zielspanne für die Inflation festgelegt werden muss, die über den aktuellen 15% liegt.


    Glas halb leer

    Wir sind alles andere als optimistisch, was die Entwicklung der Türkei unter dem wiedergewählten Präsidenten Erdogan anbelangt.

    Zunächst einmal besteht ein grosses und chronisches Leistungsbilanzdefizit, wie an der Abbildung unten abzulesen ist. Der private Sektor in der Türkei (Haushalte und Unternehmen) ist aufgrund des hohen Binnenkonsums und einer niedrigen Sparquote hoch verschuldet. Das Land hat keine andere Wahl als sein Leistungsbilanzdefizit hauptsächlich durch ausländische Investitionen, und in USD, EUR oder JPY zu finanzieren, weil das Vertrauen der externen Investoren in die Lira geschwunden ist.

    Abb. 3: Leistungsbilanz der Türkei
    Aufgeschlüsselt nach % BIP


    Quelle: Pictet Asset Management, CEIC, Datastream. Daten vom 31.07.2018.

    Neben diesem externen Ungleichgewicht ist das grösste Manko im Land die hohe Inflation (siehe Abbildung 4 unten), die über 15% liegt und steil nach oben tendiert. Gründe hierfür sind die chronische Schwäche der Lira (seit Jahresbeginn hat sie gegenüber dem US-Dollar 56% an Wert verloren1) sowie die steigenden Energiepreise.

    Die Inflation dürfte weiter ansteigen und wenn die Lira weiterhin abwertet, ist eine Straffung der Geldpolitik dringend nötig. Die Zentralbank (CBRT) hat jedoch enttäuscht und auf ihrer Sitzung im Juli die Leitzinsen nicht angehoben.

    Abb. 4: Das grösste Manko innerhalb der Türkei ist die hohe Inflation
    Türkei – Gesamtinflation auf Grundlage des VPI, Teuerung Nahrungsmittel und Nicht-Nahrungsmittel

    Quelle: Pictet Asset Management, CEIC, Datastream. Daten vom 31.07.2018.

    Im Gegensatz zu Argentinien haben wir nur verhaltenes Vertrauen, dass es die Politik in der Türkei schafft, die richtigen Entscheidungen für die Wirtschaft zu treffen. Der Fokus auf wachstumsbeschleunigende Massnahmen statt auf Inflationskontrolle scheint die Geldpolitik zu untergraben.

    Hinzu kommt, dass die Entscheidung von Präsident Erdogan, seinen Schwiegersohn  zum neuen Finanzminister zu bestellen, Zweifel an der Unabhängigkeit der Zentralbank aufkommen lässt.

    Fazit:

    Die makroökonomischen Schwächen der Türkei, einhergehend mit politischer Unsicherheit, bringen das Land an den Rand seiner Belastbarkeit. Nach unserer Einschätzung fehlt nicht mehr viel zu einer ausgewachsenen Zahlungsbilanzkrise.

    [1] Quelle: Bloomberg, Daten vom 10.08.2018


    Lesen Sie hier den vollständigen Emerging Market Monitor August 2018 von PICTET Asset Management.





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