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Forscherin beklagt zu wenig Unterstützung für pflegende Angehörige
ERFURT (dpa-AFX) - Menschen, die Angehörige zu Hause pflegen, erhalten nach einer Untersuchung vielfach nicht ausreichend Unterstützung von ihrem Arbeitgeber. Diese sei "stark verbesserungsbedürftig", sagte die Jenaer Soziologin Tine Haubner am Donnerstag in Erfurt auf einer Fachtagung, bei der es um eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und häuslicher Pflege ging. Beschäftigte brauchten zum Beispiel häufiger die Möglichkeit, von zu Hause zu arbeiten, um die Pflege von Angehörigen und ihre Berufstätigkeit besser miteinander vereinbaren zu können.
Pflegende Familienmitglieder seien tatsächlich nicht nur der größte, sondern auch "kostengünstigste Pflegedienst der Nation", sagte Haubner. Berufstätige wenden ihr zufolge für die Pflege von Angehörigen nicht selten so viel Zeit auf, wie ein Vollzeitjob koste. Der Direktor des Forschungsinstituts "Gesundheit, Altern und Technik" der Hochschule Zittau/Görlitz, Andreas Hoff, sagte, auch ein Rechtsanspruch auf flexible Arbeitszeiten könne ein Instrument sein, um die Vereinbarkeit von Pflege und Job zu verbessern.
Der Anteil der Beschäftigten in Thüringer Unternehmen, die sich neben ihrem Job an der häuslichen Pflege beteiligten, steige seit Jahren und liege derzeit in einigen Bereichen bereits bei 25 Prozent, teilte die Thüringer Agentur für Fachkräftegewinnung mit. Nach Angaben von Thüringens Sozialministerin Heike Werner (Linke) waren Ende 2015 etwa 94 000 Menschen im Freistaat pflegebedürftig. Etwa 69 000 von ihnen seien zu Hause betreut worden. Zwei Jahre zuvor habe die Zahl der Pflegebedürftigen landesweit noch um neun Prozent niedriger gelegen. Neuere Daten liegen nicht vor.
Werner erklärte, das deutsche Pflegesystem funktioniere nur deshalb überhaupt noch, weil die Generation der sogenannten Babyboomer, die in den 1950er und 1960er geboren wurden, derzeit ihre Angehörigen zu Hause pflege. Wenn diese Generation selbst alt sei, stehe das Pflegesystem vor einer gewaltigen Herausforderung.
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Die Wissenschaftlerin Haubner verwies darauf, dass Menschen, die versuchen, die Pflege von Angehörigen und ihren Job zu vereinbaren, einer hohen gesundheitlichen Belastung ausgesetzt seien. Sie litten nicht nur unter einem hohen Zeit- sondern oft auch psychischem Druck. Körperlich seien sie ebenfalls oft stark belastet./seh/DP/tos