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     2524  0 Kommentare Weihnachtskolumne

    Liebe Leser, in der letzten Woche habe ich über unsere wirtschaftlichen und politischen Probleme der Gegenwart geschrieben, die wirklich keinesfalls rosig aussehen. Bei den verzweifelten Lösungsbemühungen unserer Krisen setzen wir jedoch eine Menge aufs Spiels. Das sollten wir nicht vergessen. Und durchaus einmal wieder in die Vergangenheit schauen. Denn es gab in unserem Land und in ganz Europa ja weit schlimmere Zeiten.

     

    Und weil es derzeit draußen so sehr weihnachtet, ist es sicherlich eine gute Zeit, dies jetzt einmal zu tun. Als ich im Herbst dieses Jahres umgezogen bin, ist mir wieder einmal der Schulaufsätz meines Vaters in die Hände gefallen, den er im bereits hohen Alter von 23 Jahren geschrieben hat, als er nach dem Krieg sein Abitur fertigmachen musste, weil man ihn vorher kurz vor der Abschlussprüfung mit 17 Jahren aus der Schule zum Militär geholt hatte.

     

    Der Aufsatz ist aus dem Jahr 1946 und trägt den Titel „Mein Leben (Rückblick, Umblick, Ausblick)“. Es geht dabei viel um Persönliches, um die inneren Auseinandersetzungen in den grauenvollen Zeiten des Krieges, aber auch um Allgemeingültiges und Politisches.

     

    Ich möchte Ihnen hier ohne weiteren eigenen Kommentar einfach einmal eine Passage daraus zitieren, weil sie, wie ich denke, durchaus auch bis in die heutige Zeit hineinleuchtet:

     

    Alles, was uns von der Schule an Phrasen mitgegeben wurde, ist vom eigenen Erleben als Gegenteil erkannt worden. Deutschland, mein geliebtes Heimatland, war der Tyrann Europas. Es zeigte sich hier die Umkehrung sämtlicher Werte. Sehr, sehr oft schämte ich mich, ein Deutscher zu sein.

     

    Wen wundert es, wenn ich dadurch zur Ablehnung jeden Nationalgefühls mit den ihm anhängenden Phrasen kam, die doch nur zur Verdummung und als Köder für Verbrechen gebraucht wurden. Ich begriff aus diesen Erlebnissen, dass alles Unglück der Kriege aus der tendenziösen Überspitzung dieser Begriffe bei allen Völkern entsteht.

     

    Die gleiche Mühe und Sorgfalt, die sämtliche Staaten zur Anerziehung eines Chauvinismus´ verwenden, sollten sie lieber walten lassen, um ihren Völkern den Irrsinn der Kriege, die Anerkennung der Lebensrechte der Nachbarn und die Achtung vor den anderen Nationen beizubringen.

     

    Jeder Staat müsste seine Menschen in diesem Sinne zu erziehen versuchen, und eines Tages werden nach den Schranken des Vorurteils auch die Grenzschranken fallen. So kam ich im Laufe der Jahre zu der Überzeugung, dass Deutschland diesen Krieg verlieren Müsste im Interesse des Gesamtwohles Europas mit seinen unter Deutschlands Knute lebenden Menschen.“

     

    Ich wünsche Ihnen eine wunderschönes und besinnungsreiches Weihnachtsfest!

     

     

     

     


    Bernd Niquet
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    DER NEUNTE BAND VON "JENSEITS DES GELDES" IST ERSCHIENEN: Bernd Niquet, Jenseits des Geldes, 9. Teil, Leipzig 2023, 648 Seiten, 23,50 Euro

    Leseprobe: "Jenseits des Geldes".

    Eigentlich war ich vollkommen sicher, dass jetzt die Zeit dieser ganzen Auseinandersetzungen hinter mir lag. Deswegen hatte ich auch extra meine Mietrechtschutzversicherung gekündigt. Dann habe ich aber doch einmal in die Betriebskostenabrechnung hineingeschaut und musste unwillkürlich rechnen. 29.220 Euro im Jahr 2018 für die Reinigung der Treppen und Flure, das sind 93 Euro pro Haus pro Woche. Ich würde das jeweils in zehn Minuten schaffen, doch selbst wenn die ungelernte Hilfskraft zwanzig Minuten braucht, sind das 279 Euro Stundenlohn, den die Leiharbeitsfirma dafür einfährt. Wer dabei nicht an Sizilien denkt, kann eigentlich nicht mehr voll bei Verstand sein.

    Bernd Niquet ist Jahrgang 1956 und wohnt immer noch am letzten grünen Zipfel der Failed Stadt Berlin. Die ersten acht Teile von „Jenseits des Geldes“ sind ebenfalls im Engelsdorfer Verlag erschienen, und zwar in den Jahren 2011, 2012, 2013 sowie 2018, 2019, 2020, 2021 und 2022.

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    Verfasst von Bernd Niquet
    Weihnachtskolumne Rückblick, Umblick, Ausblick