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    Börsen-Zeitung  641  0 Kommentare Deckel auf dem Ölpreis / Kommentar zum Ölmarkt von Dieter Kuckelkorn

    Frankfurt (ots) - Die jüngste Entscheidung der Organisation Erdöl
    exportierender Länder (Opec) und befreundeter Staaten unter Führung
    Russlands, die seit Anfang diesen Jahres gültigen
    Produktionskürzungen für weitere neun Monate beizubehalten, hat am
    Ölmarkt eine wohl nicht erwartete Reaktion ausgelöst: Der Preis der
    weltweit wichtigsten Sorte Brent Crude gab einen Tag nach dem
    Beschluss um 4% nach. Erholt hat sich der Ölpreis seither kaum.

    Die Marktreaktion überrascht eigentlich, wenn man bedenkt, dass
    die Beschlüsse ausreichen sollten, um ein Überangebot an dem
    Energieträger in der zweiten Jahreshälfte zu verhindern. Einen Grund
    für den genannten Preisrutsch auszumachen, falle schwer, betont
    Rohstoff-Analyst Carsten Fritsch von der Commerzbank. Die
    Nachrichtenlage spreche eher für steigende Notierungen am Ölmarkt.

    Diese Betrachtungsweise ist sicherlich richtig und angemessen,
    wenn man sich die fundamentalen Marktgegebenheiten ansieht, auf denen
    die Preisentwicklung letztlich beruht, und wenn man andere Aspekte
    wie die politischen Einflussfaktoren ausklammert, die auf den Ölpreis
    drücken.

    So ist eine Verhinderung von Überproduktion tatsächlich weniger
    die Folge der offiziellen Opec-Beschlüsse. Diese besagen, dass die
    Opec und ihre Verbündeten unter Führung Russlands ("Opec plus")
    nach wie vor 1,2 Mill. Barrel pro Tag (bpd) weniger produzieren als
    in der Referenzperiode vom Oktober 2018. Von Januar bis Mai dieses
    Jahres hat die tatsächliche Fördermenge aber um 1,33 Mill. bpd unter
    dem Referenzwert gelegen. Das ist vor allem darauf zurückzuführen,
    dass Saudi-Arabien sein Kürzungsversprechen deutlich übererfüllt: Das
    Opec-Schwergewicht kommt auf einen Prozentsatz der Einhaltung der
    Quoten von 216%. Demgegenüber erfüllt das andere Schwergewicht
    innerhalb der erweiterten "Opec plus", nämlich Russland, sein
    Versprechen nur zu 64%. Andere Mitglieder der Staatengruppe hatten
    von vornherein nur deutlich geringere Kürzungen zugesagt.

    Neben dem Einsatz Saudi-Arabiens ist die Vermeidung einer
    Überversorgung vor allem den harten US-Sanktionen gegen Venezuela und
    den Iran sowie dem Bürgerkrieg in Libyen geschuldet, die zu
    erheblichen, aber unfreiwilligen Einbrüchen der Ölproduktion dieser
    Länder geführt haben.

    Insofern kann man nicht gerade von einer starken und einigen Opec
    sprechen, die den Ölmarkt kontrolliert. Im Gegenteil: In der Opec
    herrscht alles andere als Einigkeit. Hinter den Kulissen brechen
    derzeit diverse Konflikte auf. So beschuldigen beispielsweise der
    Iran und Venezuela Saudi-Arabien, der große Nutznießer der
    US-Sanktionen zu sein. Und letztlich haben auch Russland und
    Saudi-Arabien keine deckungsgleichen Interessen. Die Abhängigkeit
    des russischen Staatshaushalts von den Ölexporten hat sich inzwischen
    deutlich reduziert. Die russische Regierung ist sich bewusst, dass
    ein zu hoher Ölpreis die weitere Diversifizierung der heimischen
    Wirtschaft behindert. Auf der anderen Seite ist Saudi-Arabien
    dringend auf einen möglichst hohen Ölpreis angewiesen, um das Defizit
    im Staatshaushalt abzubauen und den Aufbau eines von Öl unabhängigen
    Wirtschaftssektors zu finanzieren.

    Die Macht der Opec wird auch dadurch eng begrenzt, dass es auch
    noch die USA als den dritten großen Ölproduzenten gibt, der seine
    Ölproduktion kontinuierlich ausbaut und im April dieses Jahres mit
    12,2 Mill. bpd auf eine Rekordförderung kam. Zwar hat der
    Ölpreisverfall im vierten Quartal 2018 auch zu einer deutlichen
    Abschwächung des Wachstums der amerikanischen Schieferölindustrie
    geführt. Dennoch geht die Expansion weiter, bei einem deutlichen
    Anstieg des Ölpreises würde sie sich auch wieder stark beschleunigen.
    Insofern deckelt nach wie vor der amerikanische Schieferölsektor den
    Ölpreis.

    Ferner sollte nicht übersehen werden, dass mit Blick auf die
    aktuelle Entwicklung der Weltkonjunktur eher die Gefahr einer noch
    stärker als erwartet ausfallenden Abschwächung besteht als die Chance
    auf eine spürbare Erholung. Dies gilt umso mehr, als davon
    ausgegangen werden muss, dass der Waffenstillstand im
    amerikanisch-chinesischen Handelskrieg nur eine begrenzte Zeit halten
    kann. China ist dabei, die USA als führende Weltmacht abzulösen, was
    diese mit Mitteln der ökonomischen Kriegsführung zu verhindern sucht.
    Insofern gibt es viele Gründe, die gegen einen deutlichen Anstieg des
    Ölpreises sprechen.

    (Börsen-Zeitung, 06.07.2019)

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