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    Gigantische Machtverschiebung  5157  0 Kommentare RCEP-Abkommen: Wie der Osten den Westen überholt

    Der Weltwirtschaft steht die Gründung der größten Freihandelszone bevor. Insgesamt 15 Länder aus Asien und der Pazifik-Region wollen 2020 das RCEP-Abkommen unterschreiben. Darauf einigten sich die Staatschefs am Rand des ASEAN-Gipfels. Was kommt auf die USA und die EU zu?

    Die Koordinaten des Welthandels könnten sich in der nächsten Dekade dahingehend verschieben, dass zwischen Australien, Indien und China die größte Freihandelszone der Welt entsteht. Die Verhandlungen laufen seit 2012 und im nächsten Jahr soll das Abkommen ratifiziert werden. Doch Indien ist noch unzufrieden mit dem Deal. Dass hinter dem Abkommen trotzdem ein ordentlicher Wumms steckt, wird daran deutlich, dass selbst die USA nun neue Signale nach Asien sendet.

    In der internationalen Kommunikation hat sich für die Regional Comprehensive Economic Partnership die Kurzform RCEP-Abkommen etabliert. Der asiatisch-pazifische Handelspakt umfasst eigentlich 16 Staaten - bestehend aus dem Verband Südostasiatischer Nationen (ASEAN*) und den Ländern China, Indien, Australien, Japan, Neuseeland und Südkorea. Über die Bedeutung des Abkommens meint Dirk Steffen, Leiter Kapitalmarktstrategie bei der Deutschen Bank, folgendes: „Es wäre ein willkommener Kontrapunkt zum laufenden Deglobalisierungstrend.“

    Indien erteilt RCEP-Abkommen eine Absage
    Bei den jüngsten Gesprächen auf dem ASEAN-Gipfel in Thailand haben sich 15 der 16 Länder darauf geeinigt, dass sie im nächsten Jahr den größten Freihandelspakt im asiatisch-pazifischen Raum abschließen werden, so die dpa. Nur Indien ist für das Abkommen in seiner jetzigen Form noch nicht bereit.

    Dirk Steffen meinte: „Die Regierung aus Neu-Delhi scheint besorgt, dass vor allem chinesische Produkte den heimischen Markt [Indien] überschwemmen könnten.“ Hintergrund für seine Ausführung bildet der Bestandteil des RCEP-Abkommens, der unter den Mitgliedstaaten die Zölle auf etwa 90 Prozent der Importe deutlich senkt bzw. vollständig abschaffen würde.

    Aktuell stehe Indien vor einem herausfordernden wirtschaftlichen Umfeld, so CNBC. Das Wirtschaftswachstum verlangsame sich – laut Merian Global Investors befinde sich Indien in einer Wachstumspause – und parallel dazu herrscht eine große Armut und Ungleichheit in dem 1,4 Milliarden Menschen umfassenden Land. Die wirtschaftliche Schieflage könnte sich weiter zuspitzen, denn 2024 soll Indien laut Prognosen der Vereinten Nationen China als das bevölkerungsstärkste Land ablösen.

    „Unter den gegebenen Umständen glauben wir, dass der Nichtbeitritt zum Abkommen die richtige Entscheidung für Indien ist. Wir werden weiterhin unsere Handels-, Investitions- und persönlichen Beziehungen mit dieser Region fortsetzen und stärken“, so Vijay Thakur Singh, ein Diplomat des Außenministeriums Indiens. Offen ist, ob Indien zu einem späteren Zeitpunkt dem Abkommen beitreten wird. Indien wäre innerhalb des RCEP-Abkommens ein wichtiger Gegenpol zum starken China. Peter Mumford von der Eurasia Group sagte: „Tokio sah Indiens Präsenz als ein weiteres Gegengewicht zu China - einige andere Länder haben diese Ansichten vielleicht geteilt.“

    China heiß auf den Deal
    Vor dem Hintergrund des ungewissen Ausgangs des Handelskriegs zwischen China und den USA sei das RCEP-Abkommen für das Land der aufgehenden Sonne ein wichtiger Baustein, um das Wirtschaftswachstum stabil zu halten, so die dpa. Aber es geht auch um den Zugang zu Rohstoffen in Form von riesigen Öl- und Gasvorkommen und Schifffahrtsstraßen, wie zum Beispiel im Südchinesischen Meer, wo China in der Vergangenheit größere territoriale Ansprüche geltend machte. Andere ASEAN-Staaten verteidigen ihre Ansprüche auf das Seegebiet, wie zum Beispiel die Philippinen, Vietnam, Malaysia und Brunei. Mit einem Verhaltenskodex unter den RCEP-Mitgliedstaaten soll der Konflikt zukünftig entschärft werden.

    Generell nimmt China beim RCEP-Abkommen eine Schüsselposition ein. Als zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt wäre der Freihandelspakt ein großer Erfolg, denn er bedeutet – wenn Indien mit von der Partie wäre - einen Zugang zu fast der Hälfte der Weltbevölkerung. Mit Indien würde der Pakt für ein Drittel der globalen Wirtschaftsleistung stehen.

    Wie steht die USA zu dem RCEP-Abkommen?
    US-Präsident Donald Trump lässt die Entwicklungen in Asien genau beobachten. Auf dem ASEAN-Gipfel in Bangkok waren US-Handelsminister Wilbur Ross und der nationale Sicherheitsberater Robert O‘Brien anwesend. Noch in der Nacht zum Montag ließ Washington melden, dass die USA ein starkes Interesse an den ASEAN-Ländern habe. Am Montag sagte O’Brien dann am Rand des Gipfels im thailändischen Nonthaburi, dass Donald Trump die Vertreter der ASEAN-Länder im ersten Quartal 2020 zu einem „speziellen Gipfel“ einlädt, so die WiWo.

    Rückschau: Eine der ersten Amtshandlungen des neuen US-Präsidenten Trump bestand im Januar 2018 darin, dass TTP-Abkommen seines Vorgängers Barack Obama aufzukündigen. Mit dem Abkommen sollten die Verbindungen zwischen den USA und Asien gestärkt werden. Der 2015 ausgehandelte Vertrag war noch nicht in Kraft. Nun scheint sich bei Donald Trump neues Interesse an Asien zu regen. Wilbur Ross soll am Montag auf dem ASEAN-Gipfel betont haben, dass die USA - trotz der Abwesenheit von Donald Trump, „extrem verbunden“ mit Asien sei, so CNA. „Wir verhandeln weiterhin über Handelsabkommen mit Ländern in dieser Region", so Ross.

    Wie sehen die EU und Deutschland das RCEP-Abkommen?
    Deutschland und die Europäische Union scheinen eher an Einzelabkommen interessiert zu sein. So tritt Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel dafür ein, dass die EU mit Indien erneut die Gespräche über ein Freihandelsabkommen aufnehmen solle. Der letzte Anlauf scheiterte 2013. Eine Ausweitung der Handelsbeziehungen zwischen der EU und China hatte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron im Sinn, der mit dem künftigen EU-Handelskommissar Phil Hogan, alias Big Phil, Präsident Xi Jinping besuchte. Auf der China International Import Expo (CIIE) begrüßte Xi Jinping den Ehrengast aus Frankreich und versprach: „Wir werden ausländischen Unternehmen Zugang zu mehr Sektoren geben“, so das Handelsblatt.

    Daneben ist Deutschland an eigenen Abkommen mit Indien interessiert. Die jüngste Kooperation sieht vor, dass Deutschland in den kommenden fünf Jahren eine Milliarde Euro für neue umweltfreundliche Nahverkehrsmittel bereitstellen wolle, so BR. Auch gebe es deutsche Beteiligungen an Bahn-Hochgeschwindigkeitsstrecken, Kooperationen mit indischen IT-Unternehmen und das Versprechen von Angela Merkel, dass die Bundesregierung die Einwanderung indischer Fachkräfte vereinfachen werde. Somit könnte Indiens Absage an das RCEP-Abkommen auch von der Vision getragen worden sein, neue Abkommen mit der EU und den USA auszuhandeln.

    Derzeit ist die Europäische Union die größte Freihandelszone der Welt. Dies könnte sich im nächsten Jahr mit dem RCEP-Abkommen ändern.

    Die Zukunft liegt im Osten
    Folker Hellmeyer kommentiert den Fortgang des RCEP-Abkommen in seinem heutigen Forex-Report so: „An dieser Entwicklung wird deutlich, dass die finanz-ökonomischen Machtachsen sich weiter zu Lasten des Westens verschieben. Asien macht den ´Aristoteles`, was machen wir?.“ Und weiter konstatiert Hellmeyer: „Wir haben immer wieder betont, dass die Zukunft im Osten liegt, um über Jahre weitgehend ignoriert zu werden. Die Fakten und vor allen Dingen die Strukturen weisen einen eindeutigen Weg, wo die Zukunft liegt.“ Für Hellmeyer ist klar, dass „wer glaubt mit dem westlich dominierten Organigramm von gestern (…) Zukunft ohne Anerkennung der Veränderungen gestalten zu können, kann nicht zu den Erfolgreichen von morgen gehören.“


    *) ASEAN-Länder: Brunei, Kambodscha, Indonesien, Laos, Malaysia, Myanmar, die Philippinen, Singapur, Thailand, Vietnam.

    Autor: Dr. Carsten Schmidt für wallstreet:online.





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