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     3430  0 Kommentare So geht es ganz sicher nicht

    Endlich ist der Sommer da, sagen die Menschen. Kein Gespräch auf der Straße und keine Nachrichten im Fernsehen, wo nicht vor dem Wetterbericht öffentlich gewünscht wird, dass das hochsommerliche Wetter doch hoffentlich weiterhin anhalten möge. Wenn wir uns doch in irgend einem anderen wichtigen Thema so einig wären wie hier!

    Würde diese Einigkeit jedoch an der Börse geschehen, dann fände die freie Marktwirtschaft hier ein Ende. Denn während die Wünsche der Menschen hinsichtlich des Wetters keinen Einfluss auf das Wetter selbst haben (es sei denn, ihre Ausdünstungen nehmen bei gutem Wetter ab, so dass sie auch hier ihren Beitrag liefern, den wolkenlosen Himmel zu erhalten), wird die Börse ausschließlich von den Wünschen und Erwartungen der Menschen gemacht.

    Brauchen wir im normalen Leben also nicht unbedingt die paar verstreuten Dichter und Melancholiker, die sich schlechtes Wetter und Regen herbei sehnen, so sind derartige Skeptiker, Pessimisten und Untergangsbeschwörer für die Börse sogar das Lebenselexier. Denn anderweitig würde niemand den Schönwettermenschen die Aktien verkaufen und auch niemand durch Leerverkäufe und Absicherungen den Treibstoff für die Aufwärtsbewegungen bereitstellen.

    Wir sollten also den Bären nicht gram sein. Wir brauchen die Bären wie die Blumen das Wasser im Hochsommer. Wir sollten sie daher mit Inbrunst hegen und pflegen. Schließlich müssen wir in einer Marktwirtschaft ständig mit dem Paradox leben, dass es nur dann aufwärts gehen kann, wenn es eine genügend große Anzahl von Menschen gibt, die ihr ganzes Geld darauf wetten, dass das Erreichen dieses Ziels nicht gelingen wird.

    berndniquet@t-online.de

    Aufgrund des Brian Wilson Konzerts in Bonn fällt am Mittwoch meine Kolumne an dieser Stelle aus.

    Bernd Niquet
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    DER NEUNTE BAND VON "JENSEITS DES GELDES" IST ERSCHIENEN: Bernd Niquet, Jenseits des Geldes, 9. Teil, Leipzig 2023, 648 Seiten, 23,50 Euro

    Leseprobe: "Jenseits des Geldes".

    Eigentlich war ich vollkommen sicher, dass jetzt die Zeit dieser ganzen Auseinandersetzungen hinter mir lag. Deswegen hatte ich auch extra meine Mietrechtschutzversicherung gekündigt. Dann habe ich aber doch einmal in die Betriebskostenabrechnung hineingeschaut und musste unwillkürlich rechnen. 29.220 Euro im Jahr 2018 für die Reinigung der Treppen und Flure, das sind 93 Euro pro Haus pro Woche. Ich würde das jeweils in zehn Minuten schaffen, doch selbst wenn die ungelernte Hilfskraft zwanzig Minuten braucht, sind das 279 Euro Stundenlohn, den die Leiharbeitsfirma dafür einfährt. Wer dabei nicht an Sizilien denkt, kann eigentlich nicht mehr voll bei Verstand sein.

    Bernd Niquet ist Jahrgang 1956 und wohnt immer noch am letzten grünen Zipfel der Failed Stadt Berlin. Die ersten acht Teile von „Jenseits des Geldes“ sind ebenfalls im Engelsdorfer Verlag erschienen, und zwar in den Jahren 2011, 2012, 2013 sowie 2018, 2019, 2020, 2021 und 2022.

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    Verfasst von Bernd Niquet
    So geht es ganz sicher nicht Endlich ist der Sommer da, sagen die Menschen. Kein Gespräch auf der Straße und keine Nachrichten im Fernsehen, wo nicht vor dem Wetterbericht öffentlich gewünscht wird, dass das hochsommerliche Wetter doch hoffentlich weiterhin anhalten möge. …