Chance auf Schadensersatz
Betrugsfall Wirecard: Was lief zwischen Braun und dem Finanzministerium?
Im Betrugsfall Wirecard rückt nun immer mehr die Politik ins Visier. Kontakte von CEO Markus Braun ins Finanzministerium sorgen für Aufmerksamkeit. Das könnte auch für Anleger interessant werden, die mit Wirecard Geld verloren haben und auf Schadensersatz hoffen.
Zwischen Wirecard-Vorstandschef Markus Braun und dem deutschen Finanzministerium scheint es recht enge Kontakte gegeben zu haben. Zwei Gespräche mit Finanzstaatssekretär Jörg Kukies (rechts im Bild mit Finanzminister Olaf Scholz) im vergangenen Herbst sind dokumentiert. Allerdings sind die Inhalte in Berlin als VS (Verschlusssache) abgelegt, was die Sache umso pikanter macht. Es bestünden "Geheimschutzinteressen", antwortete das Finanzministerium auf eine Anfrage der Grünen im Bundestag.
Was und wer da geschützt werden soll, ist unklar. Doch Kukies ist nicht irgendjemand im Finanzministerium. Er gilt als zweiter Mann hinter Minister Olaf Scholz. Und er hat – anders als die meisten Politiker – eine Menge Erfahrung in der Privatwirtschaft. Fast 20 Jahre war er bei Goldman Sachs. Dabei schaffte er bis zum Deutschland-Chef mit Verantwortung für die Bereiche Aktien, Anleihen und Derivate. Die Drähte von Kukies zu den großen Banken gelten als sehr kurz.
Die Opposition im Bundestag versucht nun, Licht in die Sache zu bringen und die Offenlegung der Gesprächsinhalte zwischen Kukies und Braun zu erzwingen. Für die vielen Tausend Anleger, die mit Wirecard Geld verloren haben, wird es interessant sein, zu verfolgen, ob sich hier neue Erkenntnisse ergeben.
Zumal sich die öffentliche Hand bei Wirecard bereits in Form der Bafin und der mittlerweile abgeschafften Bilanzpolizei DPR blamiert hat. Hat also der Betrugsfall Wirecard nicht nur auf Wirtschaftsseite Mitverantwortliche, wie die Wirtschaftsprüfer von EY Ernst&Young, sondern auch auf politischer Ebene? Und was heißt das für Schadensersatzansprüche von Anlegern?
Nun, auf rein juristischem Weg dürfte nach heutigem Stand sowohl der Bafin als auch der Bundesregierung nur schwer beizukommen sein. Doch wenn sich die Anhaltspunkte für ein Versagen der Politik mehren, dann könnte eine andere Variante immer drängender werden: Ein gut dotierter Entschädigungsfonds für Wirecard-Anleger könnte ein Zeichen setzen und Anlegern zumindest einen Teil des Minus ersetzen.
Natürlich kann man fragen, warum der Steuerzahler für Verluste von privaten Anlegern aufkommen soll. Aber ganz abwegig ist das nicht: Denn der Fiskus hat auch jahrelang von Steuerzahlungen profitiert, die eine betrügerische Wurzel haben dürften. Einerseits wurden Unternehmensgewinne bei Wirecard besteuert, von denen einige möglicherweise nur auf dem Papier standen. Andererseits haben viele Anleger seit dem Börsengang 2005 Gewinne mit Aktien und Derivaten von Wirecard versteuert. Auch diese Zuwächse wären ohne die Manipulationen des Unternehmens wohl nie zustande gekommen.
Anleger, die mit Wirecard Geld verloren haben, sollten daher prüfen lassen, welche konkreten Möglichkeiten es gibt, sich zumindest einen Teil der Verluste zurück zu holen. Eine solche Prüfung ist kostenlos und unverbindlich beispielsweise bei der Interessengemeinschaft Widerruf möglich. Ein Entschädigungsfonds wäre dabei nur ein Element eines aussichtsreichen Vorgehens. Auch Klagen gegen die insolvente Wirecard, deren Unternehmensführung sowie die Wirtschaftsprüfer von EY sind Teile der Strategie, die in der Summe gute Chancen bietet, einen erheblichen Teil der Anlegerverluste auszugleichen.