Sentiment schlechter als 2009
Miese Stimmung unter Börsenprofis: Nobelpreisträger warnt vor erhöhtem Crash-Risiko
Die Corona-Infektionszahlen steigen, die anstehende US-Präsidentschaftswahl sorgt für Unruhe bei Anlegern und gesenkte Prognosen sorgen für nervöse Kursrutsche. Der Börsenherbst verspricht ungemütlich zu werden.
Wirtschafts-Nobelpreisträger Rober Shiller warnt in einer New York Times-Kolumne jetzt vor der gestiegenen Anspannung unter Börsenprofis. Ein großer Anteil von institutionellen Anlegern und wohlhabenden Investoren glaubt demnach, dass das Risiko eines großen Crashs gestiegen ist. Shiller plädiert dafür, dass Anleger sich nicht zu aggressiv mit US-Aktien eindecken und stattdessen auf ein breit diversifiziertes Portfolio mit einem Anteil von sicheren Staatsanleihen setzen.
Die Daten, die der renommierte Experte vorlegt, zeigen, dass die Stimmung selten schlechter war als heute: Verglichen mit der Finanzkrise von 2009 glauben in der aktuellen Krise weit weniger Börsianer, dass Aktien derzeit noch fair bewertet sind. Die Mischung aus schlechten Sentiment-Daten und hohen Bewertungen allein sei jedoch noch kein Anlass für einen Crash, glaubt Shiller. Vielmehr braucht es dazu ein Auslöser-Event – beispielsweise ein neues Ausufern der Pandemie oder ein mögliches Chaos nach der Wahl in den USA.
Ralf Flierl von der w:o Partnerredaktion Smart Investor betont, wie wichtig das Sentiment für die Marktperformance ist. „Wenn alle bullisch sind, ist es Zeit, dass der Markt mal Luft holt.“ Eine Korrektur ist dabei längst im Gange. In den vergangenen 14 Tagen hat der DAX rund 1.000 Punkte eingebüßt. „Es ist gewissermaßen eine Krise mit Ansage. Denn dass die zweite Welle und die US-Wahl den Herbst beherrschen würden, war seit Monaten klar“, so Flierl.
Der Börsenexperte glaubt, dass viele Anleger derzeit auf dem falschen Fuß erwischt werden. „Es könnte so ähnlich kommen wie im März. Da haben die Börsen die Meldungen aus China lange ignoriert, bis es schließlich zum Crash kam“, sagt Flierl. „Das Szenario wird sich aber vermutlich nur in abgespeckter Version wiederholen. An einen DAX-Einbruch bis auf 8.000 Punkte glaube ich nicht. Aber ein Rücksetzer bis auf ein Niveau zwischen 10.000 und 11.000 Punkten ist durchaus realistisch.“
Autor: Julian Schick, wallstreet:online Zentralredaktion