Steigende Zinserwartungen belasten Anleihe- und Aktienkurse - Seite 2
EZB gesteht zunehmend Inflationsrisiken ein
So sagte gestern zum Beispiel EZB-Ratsmitglied Klaas Knot in einem Interview, die Europäische Zentralbank (EZB) könne bei ihren Konjunkturhilfen künftig einen Gang zurückschalten. Der Inflationsausblick sei deutlich günstiger als noch vor der Pandemie, so Knot. Gemeint ist damit, dass das die EZB ihrem Inflationsziel näher gekommen ist und die nach wie vor extremen Maßnahmen daher schneller beendet werden können als bislang geplant.
Und EZB-Direktorin Isabel Schnabel warnte gar vor Inflationsrisiken. Zwar sei es plausibel, dass die Teuerungsrate im Euroraum mittelfristig unter das 2%-Ziel der EZB fallen werde, aber die Unsicherheit habe sich erhöht, was Geschwindigkeit und Umfang des Rückgangs betreffe, so Schnabel. Und weiter: „Ich denke nicht, dass wir auf Basis der aktuellen Daten wirklich sagen können, was passieren wird.“ Sie gehe davon aus, dass die Inflationsprognose der EZB-Volkswirte für nächstes Jahr nach oben revidiert werde.
Unsicherheit über die weitere Entwicklung
Diese Aussagen waren gestern sicherlich geeignet, die Anleiherenditen in der Eurozone steigen zu lassen. Und sie sind recht kritisch zu werten. Denn der von den Währungshütern zuvor vermittelte Eindruck, die EZB wisse, wie sich die Inflation zukünftig entwickeln wird und was daher zu tun sei, wurde damit deutlich aufgeweicht. Das erhöht die Unsicherheit. Und diese hassen Börsen wie der Teufel das Weihwasser. Entsprechend gaben sowohl Aktienkurse (aufgrund erhöhter Unsicherheit) als auch die Anleihemärkte (aufgrund steigender Zinserwartungen) nach. Auch passt zu der These der gestiegenen Zinserhöhungserwartungen, dass Wachstumswerte, die grundsätzlich stärker unter steigenden Zinsen leiden, vorgestern und gestern höhere Kursverluste hinnehmen mussten als Value-Werte.
Freigabe strategischer Ölreserven im Kampf gegen Inflation
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