Chancenlos gegen die Inflation
Da ist sie also wieder, unsere alte Freundin, die Inflation. Doch es ist leider wie ein ungeliebter Verwandtenbesuch zum Weihnachtsfest, schließlich könnten wir sehr gut auf dieses Wiedersehen verzichten.
Ich erinnere mich noch gut daran, als wir ab Mitte der 1990er Jahre eine Aktienhausse vergleichbaren Ausmaßes hatten wie jetzt. Damals konnte sich der Dax binnen weniger Jahre verdreifachen und der Neue Markt fast den Himmel erreichen. Viele Anleger jedoch, die ich kannte, haben die Hausse nicht mitgemacht und lieber Gold gekauft, weil sie Angst vor der Inflation hatten.
Damals bin ich mit meiner These regelrecht hausieren gegangen, dass wir in den nächsten Jahren und Jahrzehnten keine Inflation mehr erleben werden.
Habe ich mich damit jetzt geirrt? Fünfundzwanzig Jahre hat meine Theorie immerhin gehalten, das ist auf jeden Fall schon etwas. Und jetzt? Da muss ich um Entschuldigung bitten, denn Corona habe ich damals nicht vorhergesehen, das ist natürlich ein unverzeihlicher Fehler.
Doch Spaß beiseite. Ich habe zu der jetzt über uns hereinbrechenden Inflation drei Thesen: Erstens ist die Inflation nahezu rein coronabedingt, zweitens besitzen wir keine Möglichkeit, etwas dagegen zu tun, und drittens wird die Inflation nach Abklingen der Pandemie wieder verschwinden und wir erneut zum deflationären Szenario zurückkehren.
(1) Woher kommt die Inflation jetzt?
Einerseits haben sich seit dem Jahr 2019 die Frachtraten verzehnfacht und die weltweite Herstellung und der Transport wichtiger Güter funktionieren vor allem durch Quarantänebestimmungen nicht mehr. Dem stehen auf der anderen Seite jedoch gigantische Ausgabenprogramme der großen Industriestaaten gegenüber.
Weniger Angebot und höhere Nachfrage muss natürlich zu steigenden Preise führen. Doch das alles ist nicht marktinduziert, sondern administrativ durch staatlichen Handeln festgelegt, und zwar gleich auf beiden Marktseiten.
(2) Wir haben keine Möglichkeiten, etwas gegen diese Inflation zu tun!
Das Geldmengenargument fällt von vornherein weg. Die Inflation hat nichts mit Geldmengen zu tun, ansonsten hätten wir sie bereits seit zehn Jahren. Daher kann jetzt auch eine Rückführung des Geldmengenwachstums, welches die Banken in gefährliche Schwierigkeiten bringen würden, nicht die Heilung sein.
Und anderweitig die Wirtschaft abwürgen, um die Preissteigerungen zu bremsen? Großer Gott, nur das nicht. Zumal die Fiskalpolitik ja genau das Gegenteil tut und Gas gibt wie nie.
Viele Menschen werden durch die Inflation große wirtschaftliche Einbußen erleiden, das ist schlimm, doch mit zusätzlicher Wirtschaftskrise wäre das alles um ein Vielfaches fataler.
Quintessenz: Wir müssen da durch, genauso wie durch die Pandemie. Wir müssen die Inflation aushalten, danach sieht alles wieder besser aus.
(3) Woher kommt der Optimismus, dass die Inflation von selbst wieder zurückgeht?
Da die Inflation in der Hauptsache durch Eingriffe in den Markt verursacht worden ist, wird sie sich beim Auslaufen dieser Maßnahmen auch wieder zurückbilden.
Viel wird natürlich an den Lohnrunden in der nächsten Zeit hängen, doch selbst bei deutlich höheren Tarifabschlüssen wird das Realeinkommen der Beschäftigten sinken und damit die Nachfrage trotz staatlichem Deficit-Spending abnehmen.
Und wenn dann auch der Arbeitsmarkt nicht mehr durch die Impfregelungen geschwächt ist und die weltweite Konkurrenz erneut der Situation vor der Pandemie entspricht, wird der Druck auf die Löhne und auch auf die Güterpreise stark zunehmen und weitere Preis- und Lohnerhöhungen dadurch vereiteln.
Sobald wir wieder freie Märkte haben, wird die Inflation verschwinden. Der internationale Konkurrenzmechanismus lässt ihr keine Chance. Und die Märkte scheinen ja auch genau das zu antizipieren, ansonsten stünde meine Zeroanleihe des Bundes mit Laufzeit 2050 nicht deutlich über pari.
Bernd Niquet
berndniquet@t-online.de