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     3579  0 Kommentare Wohin mit dem Geld?

    Eine Frage quält derzeit gleichermaßen die Anleger, die Börsenkommentatoren und die Fondsmanager. Wohin mit dem Geld? Denn die Rendite festverzinslicher Papiere ist bereits sehr niedrig und alle Welt redet von der Rentenblase, die bald platzen wird. Doch offenen Immobilienfonds wird auch kein anderes Schicksal prophezeit, so dass eigentlich nur der Aktienmarkt übrig bleibt. Allerdings sind hier die Kurse vom Tief bereits 50 Prozent angestiegen, und die wirtschaftlichen Risiken nehmen keineswegs ab, sondern eher zu.

    Es herrscht also kollektiver Ideennotstand. Und immer, wenn ein kollektiver Notstand herrscht, dann führt das in unserem Lande zu kollektiver Verwirrung. Ein einziger Blick in die deutsche Geschichte reicht aus, um diesen Befund zu untermauern.

    Dieses Mal sind die Verwirrungen natürlich nicht bei weitem so gravierend wie vielleicht vor siebzig Jahren, und außerdem sprechen wir ja damals wie heute nur über die Geldanlage.

    "Wenn der Rentenmarkt crasht", sagte gestern Abend jemand in der "Dresdner Sonntagsbörse" auf n-tv, "dann ist das nicht nur negativ, denn dann fließt das Geld in den Aktienmarkt." Hier haben wir sie bereits, die kollektive Verwirrung. Denn so etwas gibt es nicht! Vom Rentenmarkt kann niemand auch nur einen Euro netto abziehen, da jedem Verkauf stets ein Kauf gegenüberstehen muss. Das heißt: Ein Einzelner kann zwar seine Bonds verkaufen und dafür Aktien kaufen, die Gesamtheit kann das jedoch nicht. Wenn ein Anleger dem Rentenmarkt flieht, muss immer ein anderer wieder einsteigen, sonst kann ersterer gar nicht fliehen. Es ist also äußerst zweifelhaft, ob sich daraus ein positiver Effekt für den Aktienmarkt ableiten lässt.

    "Doch das Geld wird ja gar nicht an den Aktienmarkt fließen", sagte darauf ein anderer, noch verwirrterer Teilnehmer dieser Talkrunde im Fernsehen, "denn dann wird das Geld in Cash fließen." Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Das Geld wird also ins Geld fließen. Das Geld wird also plötzlich das werden, was es immer schon ist, nämlich Geld. Größer kann die kollektive Verwirrung nicht mehr werden. Es ist kein Wunder, dass wir nicht von der Stelle kommen.

    Dabei meinte der verwirrte Teilnehmer aus meiner Sicht durchaus das Richtige: Es wird in naher Zukunft besser sein, Cash zu halten als Risiken einzugehen. Er muss nur halt vorher noch lernen, sich richtig auszudrücken und zu beachten, wie die Börse und die Finanzmärkte in Wirklichkeit funktionieren.

    berndniquet@t-online.de

    Bernd Niquet
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    DER NEUNTE BAND VON "JENSEITS DES GELDES" IST ERSCHIENEN: Bernd Niquet, Jenseits des Geldes, 9. Teil, Leipzig 2023, 648 Seiten, 23,50 Euro

    Leseprobe: "Jenseits des Geldes".

    Eigentlich war ich vollkommen sicher, dass jetzt die Zeit dieser ganzen Auseinandersetzungen hinter mir lag. Deswegen hatte ich auch extra meine Mietrechtschutzversicherung gekündigt. Dann habe ich aber doch einmal in die Betriebskostenabrechnung hineingeschaut und musste unwillkürlich rechnen. 29.220 Euro im Jahr 2018 für die Reinigung der Treppen und Flure, das sind 93 Euro pro Haus pro Woche. Ich würde das jeweils in zehn Minuten schaffen, doch selbst wenn die ungelernte Hilfskraft zwanzig Minuten braucht, sind das 279 Euro Stundenlohn, den die Leiharbeitsfirma dafür einfährt. Wer dabei nicht an Sizilien denkt, kann eigentlich nicht mehr voll bei Verstand sein.

    Bernd Niquet ist Jahrgang 1956 und wohnt immer noch am letzten grünen Zipfel der Failed Stadt Berlin. Die ersten acht Teile von „Jenseits des Geldes“ sind ebenfalls im Engelsdorfer Verlag erschienen, und zwar in den Jahren 2011, 2012, 2013 sowie 2018, 2019, 2020, 2021 und 2022.

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    Verfasst von Bernd Niquet
    Wohin mit dem Geld? Eine Frage quält derzeit gleichermaßen die Anleger, die Börsenkommentatoren und die Fondsmanager. Wohin mit dem Geld? Denn die Rendite festverzinslicher Papiere ist bereits sehr niedrig und alle Welt redet von der Rentenblase, die bald platzen …