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    Ökonomen streiten über Grexit  4044  2 Kommentare "Griechenland muss für seinen Verweigerungskurs bezahlen"

    Es ist die Frage, die seit Monaten über allem schwebt: Welche Folgen hätte ein Grexit? Die Ökonomen Marcel Fratzscher, Friedrich Heinemann und Jörg Krämer nehmen sich in einem Streitgespräch dieser Frage aller Fragen an. 

    „Der Konsens ist groß, dass Griechenland für seinen Verweigerungskurs bezahlen muss“, sagt der Ökonom Friedrich Heinemann vom Zentrum für Europäische Finanzwirtschaft (ZEW) in der „WirtschaftsWoche“. So traurig das klinge, aber das sei wichtig. „Griechenland darf nicht das strahlende Beispiel werden, dass die Spanier dazu bringt, eine ähnliche Politik zu unterstützen.“ (Lesen Sie hierzu: Wenn der Protest zur Gefahr wird – Regiert in Europa bald das Chaos?)

    Es sind klare Worte, die Heinemann für die möglichen politischen Folgen eines Grexits findet. Griechenland zum Präzedenzfall werden zu lassen sei demnach die größte Angst der europäischen Regierungsmitglieder. Die Folgen für die Finanzmärkte hält der Ökonom dagegen für einigermaßen kalkulierbar. Anders als 2009, als die Sorge um Griechenland zu panikartigen Verwerfungen an den Märkten führte und die Zinsen für Staatsanleihen in die Höhe schießen ließ, sei Europa heute auf ein solches Szenario vorbereitet. „Maßgebliche Akteure, allen voran die EZB, hätten die nötigen Instrumente und würden einer solchen Entwicklung mit aller verfügbaren Feuerkraft entgegensteuern, so Heinemann.

    Fratzscher attackiert Kollegen: Argumente „unseriös“

    Seine Kollegen sehen das etwas anders. Marcel Fratzscher, Leiter des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), warnt vor zu viel Optimismus. Für ihn ist der Grexit eine Black Box und genau das macht ihn gefährlich. „Wir können nicht prognostizieren, wie sich ein Grexit auf die Finanzmärkte der anderen europäischen Länder auswirken wird.“ Die Ansteckungsgefahren zu leugnen, sei deshalb „unseriös“.

    Damit greift Fratzscher indirekt Ökonomen wie Hans-Werner Sinn an. „Soll Athen doch aussteigen, so what“, sagte der ifo-Präsident jüngst bei einer Podiumsdiskussion. Eine mögliche Ansteckungsgefahr ist Sinn zufolge kein Schreckensszenario, sondern sogar wünschenswert (Siehe: „Wollen Sie die sechste Flotte Moskaus im Hafen von Piräus liegen haben?“).

    Fassen wir kurz zusammen: Sinn hält die Ansteckungsgefahr für wünschenswert, Fratzscher für unseriös, Heinemann zweifelt ihre Existenz gleich ganz an. Und Jörg Krämer? Der Chefvolkswirt der Commerzbank erwartet lediglich „kurzfristig Turbulenzen auf den Finanzmärkten“. Die Währungsunion gefährden würden diese aber nicht. „Die Menschen in den Krisenländern wissen mittlerweile, dass Griechenland politisch wie ökonomisch ein Sonderfall ist.“ Auch für die deutsche Konjunktur rechnet Krämer nicht mit ernsthaften Folgen: Griechenland sei zu klein, als das es durch eine einbrechende Nachfrage die deutsche Wirtschaft nach unten ziehen könnte.

    Wiederum ist es Fratzscher, der einer solchen „nicht so schlimm“-Darstellung widerspricht. Sollten die Südstaaten abermals Opfer von Spekulationen auf den Finanzmärkten werden, werde das zu einem schwächeren Wachstum in Deutschland führen, so Fratzscher. Solche Spekulationen führten zu einem Vertrauensverlust bei Unternehmen und Konsumenten, und damit zu einer schwächeren Nachfrage. Der DIW-Präsident zeigt sich besorgt: „Das ist der Mechanismus, der mir die größten Sorgen bereitet.“

    Einigkeit beim Grexit-Fazit

    Sollte Griechenland tatsächlich aus der Euro-Zone ausscheiden, dann … „(wäre) die Rettungspolitik damit gescheitert“, skizziert Krämer. Fratzscher rechnet in diesem Fall mit erheblichen finanziellen Einbußen für die deutsche Regierung - rund 70 Milliarden Euro, resultierend aus Garantien, die Deutschland im Rahmen der Rettungsschirme ESFS und ESM gegeben habe, sowie bilaterale Kredite der KfW. Sein ZEW-Kollege Heinemann erwartet bei einem Scheitern der Rettungspolitik aufgrund der damit verbundenen Kreditausfälle ein Haushaltsdefizit von zwei oder drei Prozent für die deutsche Regierung.

    Und plötzlich sind sich die sonst so uneinigen Ökonomen ziemlich einig…

    Was sagen andere Experten zum Thema Grexit? Hier geht's zum Überblick.



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