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     2360  0 Kommentare Rückkehr des Volksamazonen-Index

    Ich hoffe, der eine oder andere Leser kann sich noch an meine kleine Kreation aus dem Oktober 1999 erinnern, den Volksamazonen-Index. Damals, am Dienstag, den 26. Oktober 1999 grassierte weltweit der Börsenwahnsinn – und ich bin die Wette eingegangen, dass binnen der nächsten zehn Jahre die Volkswagen-Aktie wesentlich besser performen wird als die Aktie des Internet-Händlers Amazon. In diesem Sinne ist der Volksamazonen-Index auch ein Indikator für den Grad des jeweiligen spekulativen Exzesses des Marktes, da er eines der konservativsten und langweiligsten Investments mit einem der risikoreichsten vergleicht.

    Nach langer Abstinenz möchte ich heute diese beiden Aktien wieder einmal betrachten. Und ich kann das Ergebnis bereits vorwegnehmen: Meine Prognose schien zwischenzeitlich bereits sehr früh einzutreffen, steht jetzt jedoch wieder auf der Kippe. Der Volksamazonen-Index zeigt eine abstruse Überbewertung risikoreicher Investments. Die Blase lebt weiter. Der "irrationale Überschwang" ist noch längst nicht abgebaut. Wir haben noch einen weiten Weg vor uns.

    Bei Auflage des Volksamazonen-Indexes notierte die Amazon-Aktie bei 78 Euro und die von Volkswagen bei 53 Euro. Der Index stand damit bei 78/53 = 1,47. Im Low ist die Aktie von Amazon auf einen Wert von nur noch 5 Euro gefallen, wohingegen Volkswagen bei 28 Euro sein Low fand. Das entspricht einem Volksamazonen-Index von nur noch 0,2 und zeigt, dass hier die Blase beinahe abgebaut worden ist. Mittlerweile stehen beide Aktien (bei Vernachlässigung des Dollarverfalls) witzigerweise exakt bei 45, was einem Volksamazonen-Index von 1 entspricht. Die Bewertung risikoreicher Investments liegt also wieder nahe dem absoluten Top der Vor-Crash-Zeit.

    Nun kann man natürlich einwenden, dass vielleicht in der heutigen Zeit Volkswagen risikoreicher geworden ist als Amazon, weil etwa die Chinesen in Zukunft nicht Auto fahren, sondern Harry Potter lesen und über das Netz bestellen wollen. Deshalb einmal ein kleiner Blick auf die Faktenlage, auf die Werte und Nichtwerte, die hinter beiden Aktien stehen.

    Die Volkswagen-Aktie hat einen Buchwert von 58 Euro. Das heißt: Wer heute eine Volkswagen-Aktie kauft, kauft damit einen Wert, der um knapp 30 Prozent höher liegt. Eine eigene Fabrik aufzumachen, lohnt also nicht. Wer wirklich eine tragfähige Ich-AG werden möchte, sollte keine Autofabrik bauen, sondern eine Volkswagen-Aktie kaufen. Bei Amazon liegt der Buchwert pro Aktie bei minus 3 Dollar. Das heißt: Wer heute eine Amazon-Aktie kauft, kauft einen Wert von null. (Und geht darüber hinaus noch Verbindlichkeiten von 3 Dollar ein. Die natürlich von den Gläubigern nicht gegenüber den Aktionären durchgesetzt werden können.)

    Witzigerweise haben beide Unternehmen auch exakt die gleiche Marktkapitalisierung, nämlich 17,5 Mrd. Euro beziehungsweise Dollar. Volkswagen macht dabei knapp 90 Mrd. Euro Umsatz und verdient eine Rendite, die über der eines Sparbuches liegt, und Amazon macht 4,5 Mrd. Dollar Umsatz und verliert jeden Tag Geld.

    Wann ist nun die Blase abgebaut und der richtige Zeitpunkt zum Einstieg? Ich denke, wenn der Volksamazonen-Index sich wieder dem Wert von 0,2 nähert, könnte man durchaus überlegen, auch wieder die New Economy anzufassen.

    berndniquet@t-online.de



    Bernd Niquet
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    DER NEUNTE BAND VON "JENSEITS DES GELDES" IST ERSCHIENEN: Bernd Niquet, Jenseits des Geldes, 9. Teil, Leipzig 2023, 648 Seiten, 23,50 Euro

    Leseprobe: "Jenseits des Geldes".

    Eigentlich war ich vollkommen sicher, dass jetzt die Zeit dieser ganzen Auseinandersetzungen hinter mir lag. Deswegen hatte ich auch extra meine Mietrechtschutzversicherung gekündigt. Dann habe ich aber doch einmal in die Betriebskostenabrechnung hineingeschaut und musste unwillkürlich rechnen. 29.220 Euro im Jahr 2018 für die Reinigung der Treppen und Flure, das sind 93 Euro pro Haus pro Woche. Ich würde das jeweils in zehn Minuten schaffen, doch selbst wenn die ungelernte Hilfskraft zwanzig Minuten braucht, sind das 279 Euro Stundenlohn, den die Leiharbeitsfirma dafür einfährt. Wer dabei nicht an Sizilien denkt, kann eigentlich nicht mehr voll bei Verstand sein.

    Bernd Niquet ist Jahrgang 1956 und wohnt immer noch am letzten grünen Zipfel der Failed Stadt Berlin. Die ersten acht Teile von „Jenseits des Geldes“ sind ebenfalls im Engelsdorfer Verlag erschienen, und zwar in den Jahren 2011, 2012, 2013 sowie 2018, 2019, 2020, 2021 und 2022.

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    Verfasst von Bernd Niquet
    Rückkehr des Volksamazonen-Index Ich hoffe, der eine oder andere Leser kann sich noch an meine kleine Kreation aus dem Oktober 1999 erinnern, den Volksamazonen-Index. Damals, am Dienstag, den 26. Oktober 1999 grassierte weltweit der Börsenwahnsinn – und ich bin die Wette …