Viele Start-Ups überbewertet
Tech-Markt läuft heiß - Vorsicht vor dem Einhorn-Crash!
Wenn die Finanzwelt ein Tierreich ist, dann ist die Tech-Welt das Reich der Einhörner. So bezeichnet man Tech-Firmen, die über eine Milliarde US-Dollar wert sind. Sie heißen deshalb so, weil solche Unternehmen eigentlich schwer zu finden sein sollten. Doch mittlerweile gibt es so viele davon, dass Beobachter schon vor einer Einhorn-Blase warnen.
Einhörner gelten als die Edelsten aller Fabelwesen. Das macht sie besonders wertvoll - in der Fabel- ebenso wie in der Finanzwelt. Ein Start-Up-Unternehmen der Tech-Branche mit echtem Zukunftspotenzial zu finden, gleicht der Suche nach den so seltenen Einhörnern. Aber das war vor dem Tech-Hype. Inzwischen sprießen Start-Ups wie Pilze aus dem Boden und Einhörner gibt es plötzlich wie Sand am Meer. Der „Business-Insider“ zählt 102 solcher Einhörner, die mit mehr als 1 Milliarde US-Dollar bewertet werden. Das wohl Bekannteste unter ihnen? Der umstrittene Fahrdienst Uber, der sagenhafte 41 Milliarden US-Dollar wert sein soll.
Aus der Vielzahl an Einhörnern lassen sich eigentlich nur zwei Schlüsse ziehen. Entweder es gibt tatsächlich immer mehr Start-Ups mit derart unglaublichen Geschäftsmodellen, die einen so hohen Marktwert rechtfertigen. Oder aber viele dieser Einhörner tragen in Wahrheit ein falsches Horn auf der Nase, heißt: sie erscheinen wertvoller als sie in Wahrheit sind. Ist letzteres der Fall, so steht uns womöglich bald der Einhorn-Crash bevor…
Der „Business Insider“ hat mit dem Chef eines namentlich nicht genannten Einhorn-Unternehmens gesprochen. Dieser ist sich sicher: Ja, wir leben in einer Tech-Blase. Hier sind sechs Anzeichen, die dafür sprechen, dass diese Blase bald platzen könnte.
Eine Generation ohne Crash-Erfahrung
Vielen Anlegern dürfte die Dotcom-Blase von 2000 noch in schmerzvoller Erinnerung sein. Wenn ja, dann handelt es sich vermutlich um Ü30-Anleger. Denn die Jüngeren könnten sich dem CEO zufolge nicht an den Crash von 2000 oder die Finanzkrise 2008 erinnern. Eine gesamte Generation junger Unternehmer unter 30 hätte keine Ahnung, was es heißt, wenn alle auf einmal ihr Geld verlieren, weil sie noch Kinder waren, als es passierte. Wie soll jemand, der sich noch nicht selbst an der Herdplatte verbannt hat, demzufolge wissen, dass es gefährlich ist?
Ein Umfeld mit (noch) niedrigen Zinsen
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Hinzu kommt die Rolle der Zentralbanken, die mit ihrer ultralockeren Geldpolitik weltweit die Zinsen niedrig halten. In einem solchen Umfeld sei nahezu jedes Investment, das eine Rendite über Null bietet, lukrativ. Was aber passiert, wenn die Leitzinsen wieder ansteigen? Dann, so der CEO, würden sämtliche Tech-Unternehmen mit geringem Profit plötzlich von der Bildfläche verschwinden, weil niemand mehr in sie investieren wolle.
Ein Marktwert ohne Bezug zur Realität
Ein weiteres Zeichen, das für eine Einhorn-Blase spricht, sind die bereits angesprochenen Bewertungen vieler Tech-Start-Ups, die teilweise so astronomisch hoch sind, dass wohl mit Recht bezweifelt werden darf, ob das Geschäftsmodell wirklich das Geld wert ist. Die Tatsache, dass manche Tech-Unternehmen mehr wert sein sollen als börsennotierte Traditionskonzerne, könnte ebenfalls Anlass zur Sorge geben (Lesen Sie zu diesem Thema auch: Tech-Konzerne erobern den Börsenthron – Der Anfang vom Ende?).
Auch die „New York Times“ warnte jüngst davor, einige Einhörner könnten in Wahrheit kleiner sein als sie scheinen. Der Grund: Vereinbarungen zwischen Investoren und Unternehmen vor deren Börsengang würden den Wert vieler Start-Ups künstlich aufblähen. Ein Drittel der Einhorn-Unternehmen hätte einen Marktwert nahe der 1 Milliarde-Grenze, was nahe lege, dass die Verhandlungen mit den Investoren dem Ziel dienten, den Einhorn-Status zu erreichen, heißt es in dem Bericht.
Ein Geschäftsmodell ohne Fundament
Es ist noch nicht allzu lange her, dass prominente Investoren die Überheblichkeit vieler Start-Ups anprangerten, weil diese zu großzügig mit dem eingesammelten Kapital umgehen würden (siehe: Dotcom-Blase 2.0 – Folgt auf die Tech-Euphorie der Tech-Crash?). Der CEO im „Business Insider“ sieht das ähnlich: das Geschäftsmodell vieler Start-Ups basiere darauf, immer neues Geld bei Investoren einzusammeln.
Ein Faktor mit fatalen Folgen
Apple ist bekannt für seine „one more thing“-Produkte. Auch viele Einhörner hätten ein solches „one thing“. Allerdings handele es sich dabei weniger um erfolgreiche Produkte wie iPhone oder Apple Car, sondern um Dinge, von denen die gesamte Existenz des Unternehmens abhänge. Zu viele Start-Ups hätten einen bestimmten Faktor, welcher allein darüber entscheide, ob das Unternehmen eine Zukunft habe oder nicht, ein sogenanntes „one thing not happening“.
Ein Überlebenskampf ohne Feinde
Ähnlich verhält es sich mit dem letzten Anzeichen für die Einhorn-Blase. Die meisten Einhörner lebten nämlich bislang gewissermaßen im Paradies ohne Feinde und mit Nahrung im Überfluss. So könnten sie beispielsweise die Preise für ihre Produkte weitgehend selbst bestimmen. Was aber passiert, wenn die Gesetze Darwins anfangen zu greifen? Viele Tech-Unternehmen müssten erst noch beweisen, dass sie einem harten Konkurrenz- und Preiskampf überhaupt gewachsen sind.
Viele werden es wahrscheinlich nicht sein. Spätestens wenn der Überlebenskampf beginnt, werden wir wissen, ob wir es tatsächlich mit einer Einhorn-Blase zu tun haben oder nur mit einer überfälligen Marktkorrektur eines überhitzten Tech-Marktes. Allerdings ist genau das das Problem vieler Spekulationsblasen. Ehe man sie bemerkt, ist es meistens schon zu spät. Dann ist man mittendrin … im Einhorn-Crash.