Ist die Jahresend-Rallye bei deutschen Aktien abgesagt? - Seite 2
Die internationale Anlagewelt unterzieht die deutsche Industriekultur sozusagen einem TÜV-Test
Über Nacht scheint sich das große angelsächsische Kapital zu überlegen, ob der zyklische DAX-Index nicht eher der old economy zuzuordnen ist. Jetzt wird auf einmal bemängelt, dass es ihm an new economy fehlt. Ja, tatsächlich könnte man ins Grübeln kommen, wenn man bedenkt, dass die zwei amerikanischen Zukunftsfirmen Apple und Google mehr wert sind als der gesamte DAX zusammen. Wo sind denn unsere deutschen digitalen Zukunftsunternehmen? Ja, sicherlich findet man unsere Chemie- und Pharmafirmen erstklassig. Doch wo - so wird frevelhaft weiter gefragt - sind die aufstrebenden Biotech-Firmen, denen Pharma- und Chemie-Zukunft gehören? Die tummeln sich eher in Amerika und Asien. Tatsächlich müssen wir hierbei in Deutschland von Deflation sprechen.
Leidet der Leitindex DAX unter mangelnder industrieller Leitkultur?
Droht dem DAX also im Vergleich zu anderen, z.B. amerikanischen Indices ein Bewertungsabschlag, sozusagen ein Risikoaufschlag? Ist die Jahresend-Rallye also abgesagt? Nicht so schnell! Ich kann mir zwar gut vorstellen, dass die Anleger im Oktober noch das große Reinemachen in Sachen deutscher Aktien betreiben. Die Anlegerwunden werden sozusagen geleckt. Das wird den DAX zunächst noch sehr schwankungsintensiv halten. Aber mir ist es lieber, es kommt jetzt alles - China, Schwellenländer, VW, vermeintliche US-Zinswende - zeitgleich auf den Tisch als langes Aktien-Siechtum. Da muss der DAX jetzt durch.
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Aber die Weltwirtschaft wird nicht zusammenbrechen. Konjunkturstimulierende Maßnahmen werden insbesondere in Asien ergriffen. Die müssten dumm wie Bohnenstroh sein, wenn sie jetzt diesen Kontinent auch nur annähernd in Richtung einer Asien-Krise 2.0 abdriften ließen. Sind sie aber nicht. Und wer deutsche Industriegüter und auch den dazugehörige Service mit der Konkurrenz vergleicht, weiß, dass „Made in Germany“ nicht untergehen wird. Ja, VW wird sich einer scharfen Zäsur unterziehen müssen. Dividendenstreichungen, eine Kapitalerhöhung, die Abgabe auch heiß geliebter Unternehmensteile sind möglich. Aber egal, was in Wolfsburg oder in der deutschen Autoindustrie passiert, das politische und unternehmerische Deutschland wird gemeinsam die deutsche Autokultur aufrechterhalten. Das sollte im Übrigen niemand für verwerflich halten, das passiert in anderen Ländern regelmäßig, ohne dass dort die Nase gerümpft wird. Schauen Sie nach Frankreich, Großbritannien oder in die USA.