Marktkommentar
UBS Economist Insights: Geliehene Zeit
Einer der vielen Paradoxien, die die Welt der ultra-niedrigen Zinsen hervorgebracht hat, ist die Abneigung, Geld zu leihen. Warum nehmen Kreditnehmer - Unternehmen ebenso wie private Haushalte - nichts von dem sogenannten billigen Geld in Anspruch? Vielleicht ist der Effekt niedriger Zinsraten tatsächlich nicht eingängig genug, und vielleicht wird sich die Wirkung einer Zinserhöhung ebenso unerwartet auswirken.
Das Wunderbare am Schulden machen ist, dass es einem erlaubt, Geld von jemand zu nehmen, den man gut kennt, aber noch nie getroffen hat: Das eigene zukünftige Ich. Man erhält das Geld heute, aber es ist das künftige Ich, das es zurückzahlt. Die Hoffnung ist, dass dieses künftige Ich dann reicher ist, als das aktuelle Ich - deshalb macht man sich keine Gedanken. Und wenn die Zinsen niedrig sind - umso besser! Dann kann man sich von seinem zukünftigen Ich auch noch mehr leihen. Für eine Regierung ist diese Versuchung sogar noch größer: Heute Geld zu leihen bedeutet, dass eine ganz andere Generation von Politikern einen Weg finden muss, das Geld zurück zu zahlen. Und diese Politiker können sogar aus einer anderen Partei sein. Unternehmensvorstände denken nicht anders: Sie nutzen Hebelgeschäfte, um den Wert der eigenen Aktien heute zu erhöhen - und es ist das Problem eines anderen, irgendwann die Rechnung zu zahlen.
Man müsste also denken, dass die derzeit extrem niedrigen Zinsen zu einem enormen Schub von Kreditaufnahmen geführt haben sollte. Zumindest ist es das, was sich die Zentralbanken erhofft hatten. Aber so hat es nicht funktioniert. Joshua McCallum, Head of Fixed Income Economics bei UBS Asset Management, versucht im aktuellen UBS Economist Insights diesem Phänomen auf die Spur zu kommen. Denn was ist, wenn man plötzlich erkennt, dass man vom Weg abgekommen ist, und sich zu viel vom zukünftigen Ich geliehen hat.und dann kommt eine Finanzkrise?
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