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    Marktkommentar  985  0 Kommentare Ruth Hafen: Handschlag der Hoffnung

    Heute ist nachhaltig produzierte Mode chic und angesagt. Davon profitieren die Kunden im Laden und die Baumwollbauern auf dem Feld. Dass sich damit auch Geld verdienen lässt, zeigen kleine Labels und grosse Detailhändler.

    Global Investor 1.16 - Fashion

    Kaum etwas lassen wir so nahe an unseren Körper wie Baumwolle. Sie ist das Rohmaterial für 40 bis 50 Prozent aller Textilien und die wichtigste natürliche Faser. Verglichen mit synthetischen Fasern ist sie sehr saugfähig und kann bis zu 65 Prozent ihres Gewichts an Wasser aufnehmen. Stoffe aus Baumwolle gelten als hautfreundlich und wenig allergen. So positiv die Eigenschaften der Baumwollfaser sind, so problematisch ist ihre Gewinnung. Das grösste Problem: der Wasserverbrauch. WWF Global bezeichnet Baumwolle neben Reis, Zuckerrohr und Weizen als «thirsty crop», als durstige Pflanze. Der WWF rechnet vor, dass für ein Kilo Baumwolle (ergibt etwa ein T-Shirt und eine Jeans) mehr als 20'000 Liter Wasser verbraucht werden. Auch der Verbrauch von Insektiziden und Pestiziden ist beachtlich: Obwohl Baumwolle auf nur etwa 2,4 Prozent der weltweiten Landwirtschaftsfläche angebaut wird, kommen hier 24 Prozent der weltweiten Insektizide und 11 Prozent der Pestizide zum Einsatz. Diese wiederum verschmutzen das Grundwasser und bedrohen die Gesundheit der Menschen.

    Vom Aralsee zur Salzwüste

    Wie durstig Baumwollpflanzen sind, zeigt der Aralsee. Seit Mitte des 20.?Jahrhunderts wurde ihm Wasser für die künstliche Bewässerung riesiger Anbauflächen in Kasachstan und Usbekistan entnommen. Seit 1960 hat der Aralsee 85 Prozent seiner Fläche und mehr als 90 Prozent des Volumens verloren. Heute ist der einst viertgrösste Binnensee der Welt eine Salzwüste. Die Austrocknung des Sees gilt als eine der grössten vom Menschen verursachten Umweltkatastrophen. Angesichts dieser beunruhigenden Fakten erstaunt es nicht, dass immer mehr Konsumenten und Hersteller sich für ökologische und nachhaltige Produkte einsetzen.

    Eine davon ist die Amerikanerin Yael Aflalo. Aflalo, Exmodel, Designerin und CEO von Reformation, einem 2009 von ihr gegründeten «seltenen Hybrid aus Fast Fashion und Nachhaltigkeit» (Forbes), beschreibt in einem Gastbeitrag auf time.com den Moment ihres Umdenkens: eine Fabrikbesichtigung in China, wo sie die dortigen Arbeits- und Umweltbedingungen erlebte. Als sie dann noch herausfand, wie viel Wasser es für ein einziges T-Shirt braucht, beschloss sie, ihre Kleider fortan nachhaltig fertigen zu lassen. Das Motto ihrer Marke: «Wir machen hammer Kleider, ohne dabei die Umwelt zu erschlagen» (We make killer clothes that don't kill the environment). Das Unternehmen generierte 2014 einen Umsatz von 25 Millionen US-Dollar und zählt zu seinen Kundinnen It-Girls wie Taylor Swift oder Rihanna. Noch besser: Supermodel Karlie Kloss zählte zu den Investorinnen in der zweiten, 12-Millionen-Dollar-Finanzierungsrunde des Unternehmens, die im April 2015 über die Bühne ging.

    Dieser Artikel basiert auf einem Interview mit Emanuel Büchlin

    Emanuel Büchlin arbeitet seit über 20 Jahren bei Coop. Als Einkaufsleiter Textil definiert er die strategischen Vorgaben für den Einkauf und setzt sie in Kontakt mit Geschäftspartnern, Behörden, Verbänden und NGOs um. Er ist Mitbegründer und operativer Leiter von Coop Naturaline und steuert diese für Coop sehr wichtige Erfolgsposition. Seit 2013 ist er Stiftungsrat der BioRe-Stiftung.

    Mit Biobaumwolle zum Marktführer

    Ein Schweizer Beispiel zeigt, dass Nachhaltigkeit auch bei Grossen wichtig ist. Das Coop-Label Naturaline besteht seit 1993, seit 1995 wird nur Biobaumwolle verwendet. Nachdem Coop in der Schweiz im Bereich Food mit dem Label Naturaplan Pionierarbeit geleistet hatte, folgte Oecoplan beim Non-Food mit Reinigungsprodukten und Hygieneartikeln. Schon beim Start von Naturaline war klar, dass man mit einem Partner, der Remei AG, zusammenarbeiten würde. Diese produziert nachhaltige Textilien aus Biobaumwolle und organisiert von der Masstabelle bis zur Lieferung den ganzen Prozess. Besiegelt wurde die Kooperation symbolträchtig per Handschlag auf einem indischen Baumwollfeld. Später kam noch Tansania als Lieferant hinzu.

    Aber wieso überhaupt Baumwolle? Emanuel Büchlin, Einkaufsleiter Textil bei Coop: «Jährlich werden weltweit unglaubliche 25 Millionen Tonnen Baumwolle angepflanzt - ein Drittel aller Textilfasern. Bei den Naturfasern bringt es die Baumwolle auf 75 Prozent. Zwischen 70 und 80 Prozent unserer Produkte sind aus Baumwolle.» Daraus erwächst dem Unternehmen eine ökologische und soziale Verantwortung. Und wieso gerade Tansania? «Tansania ist ein relativ wichtiges Land im Baumwollanbau, aber vor allem ist die Produktion dort zu 100 Prozent gentechfrei. Naturaline will gentechfreie Kleidung produzieren. Sowohl aus Tansania wie auch aus Indien haben wir Baumwolle, die nach dem nachhaltigen bioRe-Standard angebaut und verarbeitet wird. In Indien wird das Thema Gentech allmählich zum Problem, weil dort weit über 97 Prozent der Baumwolle gentechnisch verändert ist.» Auf den Feldern der Stiftung bioRe, von der die Remei AG ihre Baumwolle beziehe, werde im Unterschied zur herkömmlichen Baumwollproduktion auch die Fruchtfolge betrieben - also zwischen Baumwolle und Chili oder Mais abgewechselt, was dem Boden zugutekomme und immer mehr Anhänger finde, so Büchlin. Ausserdem lege Coop Wert darauf, einen möglichst grossen Teil des Herstellungsprozesses im Land selber zu behalten. Die Produkte würden dann auf dem Seeweg in die Schweiz in die Endproduktion geliefert, fügt er an.

    Neben ökologischen und wirtschaftlichen Aspekten beinhaltet Nachhaltigkeit auch den sozialen Aspekt, der für Coop ebenso wichtig ist. Momentan arbeiten im Coop-Baumwolleprojekt auf den Feldern von Indien und Tansania etwa 7000 Bauern, eine Zahl, die Büchlin nicht ohne Stolz erwähnt. «Wir stellen auch in der textilen Kette den Mensch in den Vordergrund. Deshalb wollen wir bei der Verarbeitung von Textilien die Umweltbelastung minimieren und die Gesundheit der Arbeitenden sichern. Wir bestehen darauf, dass sämtliche Kernnormen der ILO eingehalten werden. Um für Coop Naturaline produzieren zu dürfen, müssen Textilverarbeitungsunternehmen mindestens «Business Social Compliance Initiative»-auditiert sein und mittelfristig die SA-8000-Zertifizierung erreichen. Mit der Kontrolle haben wir ein externes Unternehmen beauftragt.»

    Bei der Verarbeitung von Textilien minimieren wir die Umweltbelastung und sichern die Gesundheit der Arbeitenden.

    Frauen treiben die Entwicklung

    Immer mehr Konsumentinnen machen sich Gedanken darüber, woher ihre Nahrung und ihre Bekleidung kommen und wie diese das Klima beeinflussen. Bewegungen wie Slow Food oder Veganismus sind der beste Beweis dafür. Und die Kunden sind heute vermehrt bereit, für fair Produziertes mehr zu zahlen. Büchlin definiert die Naturaline-Kernzielgruppe denn auch als «modebewusste, moderne Frau, die Wert darauf legt, wie etwas verarbeitet wurde». Coop setzt im Marketing auf ein bekanntes Schweizer Gesicht: Ex-Miss-Schweiz Melanie Winiger ist seit 2008 Markenbotschafterin für Naturaline, seit 2014 kreiert sie selbst für das Label «bequeme Mode für Menschen, die ihren eigenen Stil haben und denen eine umweltgerechte, faire Produktion wichtig ist». Winigers erklärtes Ziel ist es, faire und ökologische Mode aus der «Seide-Wolle-Bast-Ecke» herauszuführen.

    Als Naturaline in den Markt eintrat, musste Coop diese Produkte noch subventionieren. Sie hätten, so Büchlin, «diese Artikel in einer Vollkostenrechnung so nicht auf den Markt bringen können. Das ist heute anders. Heute sind wir absolut konkurrenzfähig. Wir befinden uns in einer mittleren Preislage, aber unsere ökologisch und fair produzierten Produkte bleiben 20 bis 25 Prozent teurer». Büchlin ortet in der Schweiz Wachstumspotenzial für Naturaline. Liegt der Jahresumsatz mit Naturaline-Produkten derzeit noch bei 60 Millionen Schweizer Franken, plant der Grossverteiler bis 2020 einen Sprung auf 100 Millionen. Um das zu erreichen, will Coop die Produktpalette zusammen mit der Remei AG internationalisieren. Ein Blick in die Naturaline-Strategie 2025 zeigt, dass Coop auch weiterhin auf den Schwerpunkt Baumwolle setzt, auch wenn Mischungen mit Modal und anderen Viskosefasern durchaus Potenzial attestiert wird. Eine weitere Linie mit zertifizierter Bioseide ist bereits lanciert.

    Was können andere Branchen von der Mode- und Textilbranche lernen, wenn es um Nachhaltigkeit geht? Für Emanuel Büchlin sind das vorwiegend folgende Aspekte: ressourcenschonende Prozesse, Menschenrechte und Mitarbeiterzufriedenheit entlang der ganzen Wertschöpfungskette. Yael Aflalo fordert, dass Unternehmen Nachhaltigkeit nicht als zusätzliches Plus betrachten, sondern als Standard. Den von Kunden gerne geforderten Konsumverzicht erachtet sie als unrealistisch. Sie findet, den Anforderungen der Nachhaltigkeit nachzukommen, sei Sache der Unternehmen.




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