Marktkommentar
Igor de Maack (DNCA): Wöchentlicher Kommentar zu den Märkten (25. November 2016)
Die Aktienmärkte haben sich stabilisiert, doch Igor de Maack blickt schon auf das nächste politische Ereignis: Den Ausgang des italienischen Referendums.
In nunmehr drei der vergangenen vier Wochen haben die Anleger wieder zu europäischen Aktien gegriffen. Deren Zuwachs beträgt nahezu 1 Mrd. Euro, während Anleihen und Schwellenländertitel Verluste einstecken mussten. Nach der jüngsten Hausse haben sich die Zinsen für lange Laufzeiten in den meisten Ländern mit Ausnahme von Italien wieder stabilisiert. Selbstverständlich werden die Märkte weiterhin mit Spannung dem Ausgang des italienischen Referendums entgegenblicken.
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Glaubt man den Märkten und den Umfragen, so scheint das Spiel jedoch gelaufen zu sein; vor dem Duomo wartet schon der Leichenwagen, um jegliche künftigen Reformen jenseits der Alpen zu Grabe zu
tragen. An den Märkten werden italienische Anlagewerte bereits mit einem deutlichen Abschlag gehandelt. Der MIB 30 hat seit Jahresbeginn rund 23 % eingebüßt, und das Gefälle zwischen
zehnjährigen italienischen Staatsanleihen und zehnjährigen Bundesanleihen ist auf knapp 190 Basispunkte angewachsen. In diesem Jahr haben es die Wähler jedoch noch immer geschafft, die
Vorhersagen der Demoskopen und der Anleger Lügen zu strafen. Hält womöglich auch Italien eine Überraschung bereit? Schwer zu sagen, denn es hat ganz den Anschein, als seien die Wähler darauf
bedacht, jedes konstruktive und vernünftige politische Projekt (etwa die Vereinfachung des Wahlsystems) gegen die Wand laufen zu lassen. Früher oder später werden Reformen nötig sein, um die
Zukunft Italiens innerhalb Europas und des Euroraums zu sichern. Die anhaltende Instabilität italienischer Regierungen ist gerade kein Sprung ins Ungewisse, sondern eine altbekannte Situation. Zwar
lässt sich die Nervosität der Anleger nachvollziehen, doch ein politisches Szenario und seine Folgen in zwei, drei oder vier Jahren voraussehen zu wollen ist ein Rezept, das im Jahr 2016 nicht
aufgeht.
Wer hätte schon gedacht, dass ein Land dafür stimmen könnte, Europa den Rücken zu kehren? Und doch zeigt der Brexit, dass für viele ein Austritt durchaus eine verlockende Option scheint, wenngleich
er bis dato noch nicht vollzogen ist. Wer hätte schon gedacht, dass je ein Land den Euroraum verlassen könnte? Und doch haben die Griechen mit ihrem eigenen Referendum genau dies versucht, obschon
sie letztlich alle von den Gläubigern geforderten Reformen umgesetzt haben und schließlich doch in der Währungsgemeinschaft verbleiben. Und wer hätte schon gedacht, Donald Trump könnte die
Präsidentschaftswahl für sich entscheiden? Und doch hat er das Rennen ums Weiße Haus gewonnen und gibt bereits einen für die Vereinigten Staaten und den amerikanischen Verbraucher
vielversprechenden wirtschaftlichen Rahmen vor. So dürfte die allererste Bilanz des Black Friday vor dem Hintergrund eines starken Dollars überaus aufschlussreich sein.
Auch die bevorstehenden Wahlen in Frankreich und Deutschland sind natürlich wichtig, doch sicherlich kein Grund, in Panik zu verfallen. Um die Demokratien ist es womöglich nicht so schlecht
bestellt, wie es in den Medien oder vor den Bloomberg-Monitoren den Anschein hat. Aristoteles, der große griechische Vordenker der Demokratie, stellte einst fest: „Wenn jemand an seine
Vergangenheit denkt, blickt er auf die Erde hinab, doch denkt er an seine Zukunft, so richtet er seinen Blick gen Himmel“.
Dem europäischen Wähler, Sparer und Bürger sei geraten, sich jetzt auf die Gegenwart zu besinnen und auf das zu blicken, was den Himmel von der Erde trennt: den Horizont.