Fracking/Saudis/Russen
Wer profitiert vom Ölpreisverfall?
2014 war für die Ölwirtschaft ein Schicksalsjahr. Das Ölpreisumfeld war in diesem Jahr zwar noch hochlukrativ, aber dadurch waren auch einige neue Produzenten auf den Plan getreten. Vor allem in
Nordamerika geschah Erstaunliches. Dort erschien dank der Fracking-Technologien urplötzlich eine ganz neue Ölindustrie auf der Bildfläche.
Den konventionellen Ölnationen begann damals zu dämmern, dass diese Entwicklung nichts Gutes für sie bedeutete. Einer ihrer wichtigsten Akteure, der saudi-arabische Ölminister Ali al-Naimi,
erkannte illusionslos, dass die OPEC-Staaten hier nicht tatenlos zusehen konnten. Er war davon überzeugt, dass der Fracking-Boom durch einen gnadenlosen Preiskampf im Keim erstickt werden musste.
Deshalb tat er 2014 das aus seiner Sicht Unumgängliche: Er erklärte, dass die OPEC ihre Förderung nicht drosseln, sondern stattdessen ihren „Marktanteil verteidigen“ werde. Trotz einer beachtlichen
Überversorgung des Weltmarkts förderte das Kartell daraufhin Öl, als ob es kein Morgen gäbe.
Unterbietungswettlauf
Die Folgen sind bekannt: Der Ölpreis (WTI) brach von über 100 Dollar pro Barrel im Sommer 2014 auf nur noch 30 Dollar im Januar 2016 ein. Der
Fracking-Industrie hat die OPEC dadurch einen schweren Schlag versetzt. Über 100 nordamerikanische Ölunternehmen gingen seither pleite, die übermütigen Investoren erlitten Milliardenverluste und es
gab zwischenzeitlich so gut wie keine Finanzierungen für neue Projekte mehr. Anfang 2016 sah es ganz so aus, als wäre der Großteil des Fracking-Sektors wirklich irreparabel beschädigt und hätte
kaum noch eine Zukunft.
Der Ölpreisverfall ging aber auch den klassischen Förderländern zunehmend an die Substanz. Saudi-Arabien ist dafür ein Paradebeispiel. Das Land, das zuvor vor Geld nur so strotzte, wies 2015
plötzlich ein Haushaltsdefizit von fast 100 Milliarden Dollar aus, und musste ein Jahr später erstmals in seiner Geschichte den Kapitalmarkt anzapfen. Es hat inzwischen außerdem schon mehr als ein
Drittel seiner Währungsreserven verbrannt, die 2014 noch bei 750 Milliarden Dollar lagen. Andere Ölförderländer wie Russland, Nigeria oder Venezuela hat der Preisschock noch stärker getroffen. Die
OPEC brach ihre Preiskampf-Strategie deshalb 2016 auf halbem Wege wieder ab. Ali al-Naimi befindet sich mittlerweile im wohlverdienten Ruhestand, und sein Nachfolger Khalid Al-Falih schickte sich
umgehend an, zusammen mit Russland dann doch eine Förderdrosselung zu koordinieren. Der Preis für die Verteidigung ihres Marktanteils wurde den großen Ölnationen schlichtweg zu hoch.