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     1632  2 Kommentare Stimmt das denn eigentlich?

    Stimmt das denn eigentlich?

     

    Eigentlich das Wichtigste, doch letztlich nur Ersatzhandlung

     

    Immer wieder lese ich, dass diejenigen, die sich gegen einen weiteren Zuzug von Flüchtlingen wenden, dies deshalb tun, weil sie das Gefühl hätten, nicht das zu bekommen, was ihnen zusteht.

     

    Dieser Vorwurf geht natürlich mächtig unter die Gürtellinie. Irgendwie klingt es aber auch plausibel. Wichtiger ist für mich allerdings, ob es wahr ist. Stimmt das denn eigentlich?

     

    Ich bin mir sicher, dass es darauf gar keine eindeutige Aussage gibt. Weshalb mich das andauernde Wiederkäuen dieses Themas sehr wundert. Wir sind doch keine Kühe? Oder etwa doch?

     

    Ich denke, dass natürlich die Menschen, die jetzt keine Wohnung bekommen, weil die billigen Wohnungen zu großen Teilen an Flüchtlinge gehen, einen dicken Hals bekommen. Zum gleichen Teil sind es jedoch gegenwärtig aber auch die gut situierten Bürger, die sich Sorgen um ihr Land machen.

     

    Oder will jemand im Ernst behaupten, Horst Seehofer hege aus Frust über das eigene Leben einen Zorn gegen Flüchtlinge?

     

    Was mir an diesem Thema – wie an anderen ähnlich gelagerten – am meisten auffällt, ist, dass hier von Wissenschaftlern und Autoren ausschließlich über andere Menschen geurteilt wird. Niemals jedoch erzählt jemand von sich selbst. Und wenn, dann ist das erkennbar nicht ehrlich.

     

    Ich habe ja überhaupt den Verdacht – und das ist schon mehr als ein Verdacht, es ist in den letzten Jahrzehnten für mich bereits zu einer Gewissheit geworden – dass nahezu jeder, der sich über Politik ereifert, egal welche Couleur, damit letztlich eigene Zurücksetzungen und Wunden kaschiert.

     

    Was freilich niemand je zugeben würde. Und was die meisten wahrscheinlich selbst nicht einmal merken. Denn ist es nicht leichter, über andere zu schimpfen, als sich mit sich selbst auseinanderzusetzen?

     

    Für mich ist die Politik daher etwas ganz Paradoxes: Eigentlich das Wichtigste, und doch Nebenkriegsschauplatz und Ersatzhandlung.

     

    Würden wir alle weniger versuchen, unser Land oder die Welt zu regieren, sondern mehr auf unser eigenes Tun schauen, sähe sicherlich vieles besser aus. Doch wer tut das schon?

     

    Dann wenigstens ganz heraushalten! Auch damit wäre schon etwas gewonnen. Doch bitte nicht Menschen, mit denen man ohnehin Schindluder treibt, auch noch unfaire Dinge unterstellen!

     

     


    Bernd Niquet
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    DER NEUNTE BAND VON "JENSEITS DES GELDES" IST ERSCHIENEN: Bernd Niquet, Jenseits des Geldes, 9. Teil, Leipzig 2023, 648 Seiten, 23,50 Euro

    Leseprobe: "Jenseits des Geldes".

    Eigentlich war ich vollkommen sicher, dass jetzt die Zeit dieser ganzen Auseinandersetzungen hinter mir lag. Deswegen hatte ich auch extra meine Mietrechtschutzversicherung gekündigt. Dann habe ich aber doch einmal in die Betriebskostenabrechnung hineingeschaut und musste unwillkürlich rechnen. 29.220 Euro im Jahr 2018 für die Reinigung der Treppen und Flure, das sind 93 Euro pro Haus pro Woche. Ich würde das jeweils in zehn Minuten schaffen, doch selbst wenn die ungelernte Hilfskraft zwanzig Minuten braucht, sind das 279 Euro Stundenlohn, den die Leiharbeitsfirma dafür einfährt. Wer dabei nicht an Sizilien denkt, kann eigentlich nicht mehr voll bei Verstand sein.

    Bernd Niquet ist Jahrgang 1956 und wohnt immer noch am letzten grünen Zipfel der Failed Stadt Berlin. Die ersten acht Teile von „Jenseits des Geldes“ sind ebenfalls im Engelsdorfer Verlag erschienen, und zwar in den Jahren 2011, 2012, 2013 sowie 2018, 2019, 2020, 2021 und 2022.

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    Verfasst von Bernd Niquet
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