Anleger überall im Risikomodus? - Seite 2
Tatsächlich täuscht dieser Eindruck – und zwar im Falle Argentinien ganz massiv. Denn durch den Währungscrash bleibt für ausländische Investoren von diesen Kursgewinnen kaum noch etwas übrig. In US-Dollar gerechnet brach der Merval nämlich um fast 65 % ein – also noch stärker als die Währung! Und auch nach der jüngsten Erholung beträgt das Minus immer noch fast 50 % (+48,5 %).
Die scheinbare Stärke des Merval in der aktuellen Krise ist also nur der Kauflust inländischer Investoren geschuldet. Wobei von Lust keine Rede sein kann. Es dürfte eher blanke Verzweiflung sein, um sich vor dem galoppierenden Kaufkraftverlust durch den Währungsverfall zu schützen. Und diese Methode kommt wohl nur für Vermögende infrage, welche die dadurch gebundene Liquidität nicht brauchen. Denn solange das Geld im Aktienmarkt steckt, kann es natürlich nicht anderweitig verwendet werden.
Eine bewährte Strategie
Allerdings ist diese Strategie in Argentinien inzwischen erprobt und bewährt. Seitdem das Land 2001 pleiteging, wertete der Peso gegen den US-Dollar um rund 97,6 % ab. Entsprechend schossen Preise und Inflation nach oben und entwerteten das Geld der meisten Menschen.
Der Aktienmarkt stieg in dieser Zeit jedoch um mehr als das 182-Fache. In US-Dollar gerechnet, war das immer noch mehr als eine Vervierfachung des Wertes vor der Krise. Argentinier, die 2001 ihr Geld am Aktienmarkt in Sicherheit bringen konnten, haben also die Krise mehr als glimpflich überstanden. Diese Erfahrungen dürften die Argentinier auch diesmal durch massive Verzweiflungskäufe bei Aktien umsetzen. Nur so ist die Stärke des Merval zu erklären.
Insgesamt jedoch ist nicht nur in Argentinien und der Türkei weiterhin eine Kapitalflucht ausländischer Anleger zu beobachten. Die Währungsentwicklung der betroffenen Länder spiegelt dabei deren Gefahrenpotenzial wider: Länder, die aufgrund ihrer Fundamentaldaten anfälliger sind für die Auswirkungen des US-Handelsstreits oder steigende Zinsen, verzeichnen stärkere Kapitalabflüsse und damit Währungsverluste als widerstandsfähigere Staaten. Das Problem dabei ist, dass auch die Kapitalabflüsse bzw. der damit einhergehende Währungsverfall eine Krise beschleunigen können.
Wo die nächste Krise ausbrechen könnte
Noch ist das alles für die meisten Anleger kein Thema. Aber die Währungsmärkte gelten als sehr sensibel für alle Krisensymptome. Und mehr als die Hälfte der möglichen Krisenländerwährungen erlitt in diesem Jahr bereits mehr als zweistellige Kursverluste.
Wenn das so weitergeht, könnte eine Währungskrise in den Schwellenländern wie 1997/98 drohen. Damals verlief sie relativ harmlos, weil die Weltwirtschaft weiter boomte. Das ist derzeit zwar scheinbar auch so, aber Handelsstreit und drohendes Brexit-Chaos hinterlassen erste Bremsspuren – z.B. bei den Investitionen. Und dieses Investitionsdefizit wirkt sich stets am Beginn der Wertschöpfungsketten am stärksten aus. Und genau dort stehen diese Schwellenländer.
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Es wäre also nicht verwunderlich, wenn wir in einigen Monaten mit einer Schwelländerkrise kämpfen. Aber natürlich hoffe ich weiterhin, dass das nicht geschieht.
Mit besten Grüßen
Ihr Torsten Ewert
(Quelle: www.stockstreet.de)