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    Forex-Report  1872  1 Kommentar Wo liegt das reale Neuverschuldungsproblem?

    Der Euro eröffnet heute gegenüber dem USD bei 1.1473 (07.20 Uhr), nachdem der Tiefstkurs der letzten 24 Handelsstunden bei 1.1463 im fernöstlichen Geschäft markiert wurde. Der USD stellt sich gegenüber dem JPY auf 114.40. In der Folge notiert EUR-JPY bei 131.27. EUR-CHF oszilliert bei 1.1385.

    Das Thema der italienischen Budgetplanung bestimmt die Schlagzeilen – das wirklich virulente Problem der US-Defizite ist vollständig ausgeblendet, aber viel kritischer. Märkte können hinsichtlich ihrer Ausrichtung sportlich, asymmetrisch und oberflächlich reagieren. Das ist aktuell der Fall!

    Die jetzt entbrannte Diskussion hinsichtlich der italienischen Haushaltslage hat ihre Berechtigung. "Bruder Leichtfuß-Politik" in Haushaltfragen mit einer Expansion konsumtiver Ausgaben kann vor dem Hintergrund der Erfahrungen der letzten Krise kein Rezept für Zukunftsfähigkeit sein. Fakt ist jedoch, dass sich die Planung des italienischen Budgets innerhalb des Maastricht-Rahmens (3,0 %) befinden, aber fraglos außerhalb der mit der EU-Kommission vereinbarten Verpflichtung zur Defizitreduzierung. Das ist der überschaubare Konflikt.

    Fakten sind für Profis (nicht für opportunistische Leichtgewichte) von Bedeutung. Widmen wir uns diesen Fakten.

    Das Haushaltsdefizit Italiens sank in der ersten Jahreshälfte als Folge der Reformen der Vorgängerregierung auf 1,9% (Vorjahr 3,0%) des BIP. Für das Gesamtjahr wird erwartet, dass die Neuverschuldung sich auf 1,6% nach 2,4% per 2017 stellen wird.

    In der Debatte bezüglich der geplanten Neuverschuldung ruderte Rom geringfügig zurück. Man beharrt aktuell für 2019 auf ein Defizit in Höhe von 2,4% des BIP. In den Folgejahren soll es dann laut Planung auf 2,20% und dann 2,00% sinken. Dieser Olivenzweig Roms fällt voraussichtlich zu klein für Brüssel aus. Die Richtung, die Rom jetzt einschlägt, stimmt.

    Fazit: Es gibt ein Haushaltsdisput zwischen Rom und EU. Es ist ein überschaubares und auf Sicht nicht existentielles Risiko Italiens und auch der Eurozone.

    Der andere Schuldensünder war/ist Athen. Die Nachrichten aus Athen müssen diejenigen verblüffen, die in der Phase 2011 – 2015 den Abgesang der Reformländer inklusive der Eurozone laut und medienwirksam intonierten. Soweit ich mich erinnere, waren das eine Vielzahl von Protagonisten, sogar eine Partei …

    Griechenland will Schulden bei der EZB und dem IWF früher zurückzahlen. Damit sollen Kosten reduziert werden. Seit 2010 hat Griechenland circa 280 Mrd. Euro an Krediten erhalten. Die EZB hält Schuldtitel Griechenlands im Wert von rund 12 Mrd. Euro, der IWF rund 10 Mrd. Euro. Der griechische Finanzminister Tsakalotos erwägt einen inzwischen aufgebauten Puffer von 24 Mrd. Euro für die Rückzahlung zu nutzen.

    Nun ja, das sind Fakten. Die jetzt im Oktober anstehende Veröffentlichung des Fiscal Monitors des IWF wird belegen, dass die Neuverschuldung der Eurozone um oder unter 0,5% des BIP per 2018 liegen wird.

    Auch in den kommenden Jahren bleibt das Defizit laut diesen Prognosen auf Niveaus, die den Gesamtverschuldungsgrad der Eurozone in Prozent des BIP reduzieren werden.

    Unsere Reformpolitik, die unverändert in anderen Regionen der Welt (USA) nicht verfolgt wurde und wird, wirkt weiter positiv auf die Wirtschaftslage (absehbar Wachstum über der Potentialrate) und setzt seit geraumer Zeit im Bereich der Haushaltlagen positive Akzente (gemäß unseren Einlassungen zu Aristoteles).

    Der fiskalische Problemelefant im Raum sind die USA. Auch mit einem Wachstumsclip annualisiert von 4,2% (letztes Quartal) baut sich die Neuverschuldung der öffentlichen Hand weiter aus. Sie wird bei 5,5% (letzte IWF-Prognose aus 04/2018) liegen. Das ist absolut prekär, weil struktureller Natur!

    Die Fragen, die sich Märkte, aber auch Ratingagenturen stellen müssten, ist, was passiert dann mit der öffentlichen Haushaltlage in einem Abschwung?

    Zurück zum Thema Italien:

    Wir entfachen eine Diskussion wegen circa 0,8% erhöhter Staatsausgaben weit innerhalb des Maastricht Kriteriums und machen daraus ein existentielles Problem an den Märkten für Italien und implizit die Eurozone (Bewertung Euro). „Chapeau“!

    Fokus auf Lage in den USA:

    Gleichzeitig hat sich per 02. Oktober die Staatsschuld in den USA seit Ende letzten Jahres von 20.492,7 Mrd. USD um massivste 1.126,1 Mrd. USD auf 21.618,8 Mrd. USD erhöht.

    Wenn wir diese bisherige Akkumulation annualisieren (anfechtbar, da Momentaufnahme), was in den USA ja gerne gemacht wird, entspräche das einer Neuverschuldung in Prozent des BIP bei 7,5% des BIP.

    Es liegt am Markt, es liegt an Ihnen, sich Realitäten stellen oder Narrativen zu folgen. Mehr gibt es zu diesem Themenkomplex nicht zu sagen.

    Die Federal Reserve und die Märkte feiern das fraglos positive quantitative Bild der US-Konjunktur ab und fokussieren sich damit auf nur eine Seite der Medaille.

    Konjunkturoptimismus wurde vom Chef der Fed verbreitet. O-Ton Jerome Powell: „Wenn wir beobachten, dass die Dinge sich besser und besser entwickeln und die Inflation steigt, dann könnten wir ein bisschen schneller handeln. Falls die Fed sehe, dass die Konjunktur schwächele oder die Inflation abnehme, werde sie langsamer handeln.“ Man hält sich also Optionen offen.

    Das absolut malade qualitative Bild, die andere Seite der Medaille, wird ausgeblendet.

    Ich will es Ihnen einfach machen. Würden Sie ein Unternehmen kaufen, dass für ein Wachstum in Höhe von 3% eine Neuverschuldung von 5,5%  (aktuell annualisiert 7,5%) benötigt? Genau das tut der Markt derzeit  - „Chapeau“!

    Implizit mögen unsere Gedanken den Gouverneur der Federal Reserve Chicago bewegt haben. Die US-Notenbank Fed muss sich nach den Worten Charles Evans auf schlechtere Zeiten vorbereiten. O-Ton: „Wir müssen vorausschauend planen, seit der Finanzkrise habe sich die Wirtschaft grundlegend geändert (ja, noch höheres schuldeninduziertes Wachstum bei Staat, Unternehmen und Haushalten). Dadurch müssten die Leitzinsen nicht so hoch sein wie in der Vergangenheit (würde den Schuldenturm bedrohen), um einen dämpfenden Konjunktureffekt zu haben. Das wiederum bedeute weniger Spielraum für Zinssenkungen, sollte der nächste Abschwung eintreten. Die Notenbank könnte dann wieder gezwungen sein, umstrittene Instrumente wie Anleiheankäufe einzusetzen, um das Wachstum anzuregen. Jetzt ist es an der Zeit, genau hinzuschauen, ob und wie der strategische geldpolitische Rahmen der Fed geändert werden könnte, um diese potenziellen Herausforderungen besser zu bewältigen.“

    Ein kurzer Blick auf die zuletzt veröffentlichten Daten:

    Russland:

    Der Dienstleistungsindex legte per September von zuvor 53,3 auf 54,7 Punkte zu – Positiv!

    Japan:

    Der Dienstleistungsindex sank per September von zuvor 51,5 auf 50,2 Zähler – Negativ!

    Eurozone:

    Der Dienstleistungsindex stellte sich den Erwartungen entsprechend unverändert auf 54,7 Punkte – Neutral!

    Die Einzelhandelsumsätze sanken im Monatsvergleich um 0,2% (Prognose +0,2%) und legten Im Jahresvergleich um 1,8% (Prognose 1,7%) nach zuvor 1,0% zu –Neutral

    USA:

    Die Beschäftigung nahm per September in der Privatwirtschaft laut ADP um 230.000 Jobs zu. Die Prognose lag bei 185.000 – Positiv!

    Der von Markit ermittelte Dienstleistungsindex stieg per September von zuvor 52,9 auf 53,5 Punkte – Positiv!

    Der von Markit ermittelte Composite Index nahm per September von zuvor 53,4 auf 53,9 zu – Positiv!

    Der ISM-Dienstleistungsindex legte per September von zuvor 58,5 auf sportliche 61,6 Zähler zu – Positiv!

    Das konjunkturelle Bild auf globaler Ebene ist trotz der aggressiven US-Geo- und Handelspolitik hinsichtlich der verfügbaren Daten als mindestens resilient zu klassifizieren.

    Zusammenfassend ergibt sich ein Szenario, das den Euro gegenüber dem USD favorisiert. Ein Unterschreiten der Unterstützungszone bei 1.1460 – 1.1490   neutralisiert den positiven Bias des Euros.

    Viel Erfolg!

     





    Folker Hellmeyer
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    Folker Hellmeyer gilt als einer der profiliertesten Volkswirte und Chefanalysten Deutschlands. Nach dem Abschluss seiner Banklehre und der Bankakademie war Folker Hellmeyer in den 1980er Jahren im Devisenhandel der Deutsche Bank AG in Hamburg tätig. Später entsandte ihn die Bank als Kassahändler für ein Jahr nach London. 1989 kehrte er zurück nach Hamburg und initiierte den Aufbau eines JPY-Handelstisches.

    Im Februar 1990 wechselte Folker Hellmeyer als Freiverkehrsmakler im Interbankendevisenmarkt zur Bierbaum & Co. GmbH & Co. OHG.

    Von 1995 bis 2002 war er zunächst als Senior Dealer und ab 1997/98 als Chefanalyst und Verantwortlicher des Zentralbanktisches bei der Landesbank Hessen-Thüringen GZ tätig. Im Jahre 1998 schloss Folker Hellmeyer erfolgreich das ACI-Diplom ab.

    Von April 2002 bis Ende 2017 war Folker Hellmeyer Chefanalyst/Chefvolkswirt der Bremer Landesbank. Seit 2016 war er darüber hinaus Im Fonds Advisory der BLB tätig.

    Seit Anfang 2018 nimmt er in der neu gegründeten Firma Solvecon-Invest den Posten des Chefanalysten und die Rolle im Fonds Advisory ein.

    Als Kommentator des Geschehens an den internationalen Finanzmärkten ist er u. a. regelmäßig auf n-tv, Welt-TV und anderen Sendern zu sehen.

    Im Jahr 2008 veröffentlichte Hellmeyer das Bestsellerbuch „Endlich Klartext“* im FinanzBuch Verlag.

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    Verfasst von Folker Hellmeyer
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