Ausblick
Wirecard: Flatterhaftes Zockerpapier oder solider Blue Chip?
Während die Finanzwelt gespannt auf die neuen Wirecard-Quartalszahlen am Mittwoch wartet, hat die wallstreet:online-Redaktion Experten nach den langfristen Chancen der Wirecard-Aktie befragt. Die Antworten aus der Analystengemeinde weisen in eine Richtung.
"Welche Faktoren werden die Wirecard-Aktie langfristig positiv bzw. negativ beeinflussen?", so die Frage an die Analysten. Ziel war es, Antworten abseits der Kurs-rauf-Kurs-runter-Diskussion zu finden.
Für Christoph Pospich, Anlage-Experte der Oldenburgischen Landesbank (OLB), zu der auch die Wüstenrot Bank gehört, steckt im Wandel des Zahlungsverhaltens "enormes Potential": "Die Digitalisierung des Zahlungsverkehrs - Kartenzahlungen sowie Zahlungen per Mobilfunkanwendungen - sowie die steigende Nutzung virtueller Zahlungsmöglichkeiten bieten für das Unternehmen mittel- und langfristig aussichtsreiche Wachstumschancen", meinte Pospich.
Volker Glaser, Chefredakteur der "Vorstandswoche", schließt sich an: "Das Geschäft brummt, weil Verbraucher immer weniger mit Bargeld bezahlen und Karten- und Onlinezahlungen rasant ansteigen", und weiter: "Das treibt das Geschäft auch von Wirecard. Die gesamte Branche erlebt goldene Zeiten", sagte Glaser.
Das heißt aber anscheinend nicht automatisch, dass Wirecard sorgenlos in die Zukunft blicken kann. "Jüngst gab es milliardenschwere Übernahmen in den USA. Und der prominente Private Equity Investor KKR aus New York hat sich kürzlich beim Zahlungsdienstleister Heidelpay engagiert. Offenbar ist die Branche sexy. Aber auch hart umkämpft und die Margen auf den Anteil der abgewickelten Umsätze klein", berichtet Glaser.
Wirecard sei aber "insgesamt sehr stark positioniert" und die Bilanz mit "reichlich Cash" gefüllt, ergänzt er. Sein abschließendes Wirecard-Urteil lautet daher: "Wirecard dürfte zu den Gewinnern des Booms der Zahlungsabwickler zählen oder früher oder später selbst aufgekauft werden".
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Aus der Sicht eines Traders betrachtet Wendelin Probst, Marktexperte für LYNX Broker, das Wirecard-Papier so: "Die Aktie hat einen extrem schwankungsfreudigen Charakter und wird diesen in Zukunft beibehalten - unabhängig von der Trendrichtung". Sein Ausblick ist positiv: "Wirecard wird sich auch von den jüngsten Vorwürfen freischwimmen können - denn andernfalls wäre die Firma bereits zu Fall gekommen. Die Aktie hat aus charttechnischer Sicht beste Aussichten an den bestehenden langfristigen Aufwärtstrend anzuknüpfen bzw. diesen fortzusetzen und in den kommenden Monaten oder Jahren ein neues Allzeithoch zu erzielen", schätzt Probst das Potential der Aktie ein.
Für Peter-Thilo Hasler, Gründer von Sphene Capital und sphaia advisory, bleibt es "eine digitale Entscheidung", in die Wirecard-Aktie zu investieren. Das Wirecard-Management müsse seiner Meinung nach noch einige Unebenheiten ausbügeln: "Zweifellos gibt es Lücken in der Finanzberichterstattung, die sich ein Unternehmen dieser Größenordnung nicht erlauben dürfte". Short-Seller könnten wieder auf den Plan gerufen werden, wenn sich erneut Unregelmäßigkeiten auftun würden. Doch unterm Strich sieht auch Hasler Chancen auf ein gutes Investment: "Sollte es Wirecard jedoch gelingen, sich gegenüber den Kritikern professioneller aufzustellen und die angemessene Transparenz bereitzustellen, werden die langfristig überragenden Perspektiven dominieren. In Verbindung mit gelegentlichen Übernahmen wird Wirecard den Spitzenplatz der deutschen Wachstumsunternehmen verteidigen".
Autor: Christoph Morisse