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    Himmelfahrtskommando oder Erlösung?  5592  3 Kommentare Ursula von der Leyens "EU-Green Deal": Jubelnde Atom-Industrie, Autobranche in der Zwickmühle und viele weitere Risiken

    Eines der Hauptziele der neuen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ist, die EU bis 2050 „klimaneutral“ zu machen. Welche Branchen müssen zittern? Wo könnten Milliarden-Subventionen hinfließen?

    Ursula von der Leyen stellte ihren „EU Green Deal“ mit den Worten vor, dass das Jahrhundertprojekt mit der Vision der Mondlandung in den 1960er Jahren vergleichbar sei, so die Tagesschau. Geplant ist der komplette Umbau von Energieversorgung, Industrie, Verkehr und Landwirtschaft, damit ab 2050 keine neuen Treibhausgase mehr in die Atmosphäre gelangen und somit die globale Erwärmung verlangsamt werde. Bislang handelt es sich um einen Klimaplan, der 50 Aktionen bis 2050 umfassen soll.

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    Bereits im September 2019 hatte von der Leyen gesagt, dass sie einen „Green Deal“ zu Europas Markenzeichen machen wolle, so die Nachrichtenseite Euractiv. Für die Formulierung der Ziele und die Umsetzung ist der niederländische Politiker Frans Timmermans (PvdA/SPE) zuständig, der seit dem 1. Dezember 2019 geschäftsführender Vizepräsident und Kommissar für Klimaschutz in der Kommission von der Leyen ist.

    Ursula von der Leyen stößt auf Widerstand

    Gabor Steingart, Journalist und Autor seines Mornings Briefings, hat fünf „Widerstandsnester“ für von der Leyens „Green Deal“ identifiziert:

    1.    Klub der Atomfreude: Paris verlangt, dass die EU die Kernkraft als „grüne Technologie“ bewertet und fördert
    2.    Deutsche Industrie
    3.    Kohlestaaten in Osteuropa
    4.    Ordnungspolitiker aller Nationen sind gegen eine Finanzierung des „Green Deals“ mit der Notenpresse
    5.    Demokratischer Widerstand, denn dem „Green Deal“ fehlt die Legitimation durch das Wahlvolk 

    „Ursula von der Leyen hat in diesem unwegsamen Gelände kaum eine Chance. Ihr Man-on-the-Moon-Moment wird womöglich eine Vision bleiben“, so Steingart.

    In einem WDR-Beitrag fragt Jörn Seidel: „Fördert die EU bald Atomkraft?“ Darauf gibt es zum jetzigen Zeitpunkt keine eindeutige Antwort aber einige Hinweise darauf, dass Kernenergie im Rahmen des Klimaplans 2050 gefördert werden könnte. „In der Tat sind in 14 der 28 EU-Staaten Kernkraftwerke in Betrieb. Laut Europäischem Parlament liefern sie 30 Prozent des in der EU erzeugten Stroms - ohne, dass dabei viel CO2 erzeugt wird“, so Seidel. Und weiter: „Entscheidend wird nun sein, ob die Europäische Union der Kernkraft in den kommenden Monaten den 'grünen Stempel' aufgedrückt und die Atomkraft sogar finanziell fördert. Das Geld könnte aus dem 'Just Transition Fonds' stammen.“

    Basis des „Green Deal“ sei das von der EU-Kommission beschlossene Klimapaket und der „Just-Transition-Fonds“ - auch bezeichnet als „Just Transition Strategie“ oder Energiewendefonds - für einen sozial gerechten Strukturwandel. „Wir haben das Ziel, 100 Milliarden Euro an Investitionen für die am stärksten gefährdeten Sektoren und Regionen zu mobilisieren“, so Ursula von der Leyen laut Tagesschau.

    Daimler und Co unter Druck

    Widerstand kommt aus der Industrie. Volkmar Denner, seit 2012 Vorsitzender der Geschäftsführung bei der Robert Bosch GmbH, sagte kurz vor der Vorstellung des „Green Deals“ im EU-Parlament: „Derartig anspruchsvolle Grenzwerte bedeuten das Ende des klassischen Verbrennungsmotors mit den entsprechenden Auswirkungen auf die Beschäftigung der betroffenen Unternehmen“, so die WirtschaftsWoche (WiWo).

    Für die deutschen Autobauer wird der „Green Deal“ zum Problem, denn „ab dem nun beginnenden Jahr zählt: Die von einem Autokonzern verkauften Neuwagen (...) dürfen im Durchschnitt einen bestimmten Höchstwert nicht überschreiten. Grundsätzlich gilt ein Höchstwert von 95 Gramm CO2 pro Kilometer“, so der WiWo-Autor Martin Seiwert.

    Laut Seiwert sei es für Daimler besonders schwierig die EU-Klimaziele einzuhalten, denn „die Stuttgarter haben schon unter den bisher geltenden Vorschriften größte Mühen, die Vorgaben der EU zu schaffen.“

    Bis Juni 2020 sollen erste Gesetzesinitiativen den „Green Deal“ zum Leben erwecken. Dann wird es für die Autobranche und andere Industrien ernst. Nach Plänen der Kommission geht es um eine höhere Bepreisung von fossilen Energieträgern, schärfere CO2-Grenzwerte für leichte Nutzfahrzeuge und eine Einbeziehung des Schiffsverkehrs in den Emissionshandel. Bisher gibt es den Handel mit CO2-Rechten in den EU-Ländern nur für bestimmte Industrien, fossile Kraftstoffe und den Flugverkehr, so Spiegel Online. Ferner soll im Frühjahr 2020 eine Reform der Agrarpolitik eingeleitet werden. Es geht um die ökologische Landwirtschaft und den Düngemitteleinsatz.  

    Polen verweigert sich

    Ablehnung für den „Green Deal“ kommt u. a. aus Polen, so die Welt. Dies liegt vor allem daran, dass das Land weiterhin von der Nutzung der Kohle abhängig sein wird. Bereits im September 2019 verwies von der Leyen für Polen auf den „Energiewendefonds“ hin, um die wirtschaftlichen, finanziellen und auch sozialen Folgen des Kohleausstiegs abzufedern. Polen lehnte den „Green Deal“ vorerst mit der Begründung ab, dass das Ziel für Polen zu ambitioniert sei.

    Auf der Seite der Europäischen Kommission heißt es über das Vorhaben „Green Deal“: „Mit Investitionen in grüne Technologien, nachhaltigen Lösungen und neuen Chancen für Unternehmen kann der Grüne Deal zu Europas neuer Wachstumsstrategie werden.“ Es geht u. a. um die Förderung umweltverträglicher Verkehrsmittel, die Notwendigkeit eines umweltfreundlicheren Bausektors, Maßnahmen zum Schutz des empfindlichen Ökosystems, neue Perspektiven für saubere Energiequellen und nachhaltige Produktionszyklen.

    Kritiker stören sich an der Aussage der Kommission, dass es sich bei dem Vorhaben um eine Wachstumsstrategie handeln soll, so die taz. Ingo Arzt, Redakteur bei der taz, schreibt: „Setzt man vermeintliche Ökotechnologien in eine Welt, die allen Menschen einredet, dank Wundertechnologie immer weiter immer mehr konsumieren zu können, dann wird grünes Wachstum zum reinen Ablasshandel.“ Und weiter: „Würde die EU umsetzten, was sie selbstverliebt angekündigt hat, das Wachstum wäre dahin. Vielleicht weiß das Brüssel ja und sagt es nur niemandem.“

    Umweltexperten nennen Chancen, aber auch große Risiken

    Ulf Sieber, Leiter Büro Berlin des CO2 Abgabe e.V., sagte exklusiv gegenüber der wallstreet:online-Redaktion: „Europa klimaneutral zu machen, ist eine große Chance für eine lebenswertere Zukunft und nach dem Schuman-Plan das ambitionierteste Programm zur Transformation unserer Wirtschafts- und Lebensweise, das die EU je erlebt hat. Wenn wir aber die Erdüberhitzung auf 1,5° C beschränken wollen, muss Europa früher als erst 2050 klimaneutral sein. Dazu benötigen wir so schnell wie möglich einen wirksamen CO2-Mindestpreis von mindestens 50 Euro in den Bereichen Stromerzeugung und Industrie sowie Wärme und Verkehr inklusive eines Grenzsteuerausgleichs für energieintensive Unternehmen. Länder wie Deutschland müssen hier mit den Vorreitern in der EU wie Dänemark, Frankreich oder die Niederlande vorangehen. Die anstehende Revision der Energiesteuerrichtlinie sollte 2020 genutzt werden, um ein europäisches CO2-Preissystem sektorübergreifend aufzusetzen.“

    „Das ist ein wirklich großer Wurf“, kommentierte Ingeborg Niestroy, EU-Expertin am Potsdamer Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung (IASS), den „Green Deal“ gegenüber Spiegel Online. „Der Vorschlag könnte ein Wendepunkt im globalen Kampf gegen den Klimawandel sein“, lobte William Todts, Chef des Brüsseler Umwelt-Thinktanks Transport & Environment, den geplanten „Green Deal“.

    Thilo Schaefer, Umweltexperte beim Institut der deutschen Wirtschaft Köln e. V., schrieb in einem IW-Kommentar: „Für ambitionierte Ziele braucht es jedoch eine überzeugende Strategie – schärfere Ziele reichen nicht.“ Schaefer analysiert: „Es spielt keine Rolle, wo auf der Welt Treibhausgasemissionen vermieden werden – sinnvoll wäre es deshalb, CO2 dort zu reduzieren, wo das zu den geringsten Kosten möglich ist. Dafür wiederum sind kluge Instrumente nötig: Dazu zählt beispielsweise der europäische Emissionshandel, der die zulässigen Emissionsmengen der europäischen Industrie und Energiewirtschaft beschränkt und den Emissionsrechten einen Preis gibt.“

    Schaefer sieht ein weiteres Problem mit dem „Green Deal“: „Zudem braucht es Anreize für die Industrie, trotz höherer Klimakosten weiter in Europa und klimafreundlicher zu produzieren. Würde sie ihre Produktion und damit die Emissionen an andere Standorte verlagern, wäre zwar der europäischen Klimabilanz geholfen – nicht aber dem globalen Klimaschutz.“

    Die Ideen von Ursula von der Leyen erinnern an den „Green New Deal“ in den USA. Unter Alexandria Ocasio-Cortez erhielt das Thema 2019 in den USA große Aufmerksamkeit. Das Hauptziel des „Green New Deal“ sei es, die Treibhausgasemissionen der USA bis 2030 auf Null zu senken und 100 Prozent des Strombedarfs durch saubere, erneuerbare und emissionsfreie Energiequellen zu decken, so Investopedia. Ebenfalls geht es um Millionen neuer Jobs in den Bereichen saubere Luft und reines Wasser, gesündere Lebensmittel und eine nachhaltige Umwelt. Dies und jenseits des Atlantiks sind die Vorhaben überaus ambitioniert.

    Dr. Carsten Schmidt für wallstreet:online.





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