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     112  0 Kommentare Geopolitik treibt Ölpreis an, Marktkommentar von Dieter Kuckelkorn

    Frankfurt (ots) - Nach Erdgas und Strom trifft es nun auch den Ölpreis: Die
    Notierung der Benchmark-Sorte Brent Crude steigt immer weiter. Mit zeitweise
    mehr als 89 Dollar je Barrel ist bereits der höchste Stand seit 2014 erreicht.
    Ein Ende ist trotz der leichten Abkühlung am Freitag vorerst nicht abzusehen,
    die Analysten von Goldman Sachs halten einen Anstieg auf bis zu 100 Dollar für
    durchaus realistisch. Ein solches Niveau soll in der zweiten Jahreshälfte
    erreicht werden.

    Die Gründe für den Anstieg des Ölpreises sind durchaus mit denjenigen für die
    Preisexplosion bei Erdgas zu vergleichen. Einem auch aus politischen Gründen
    knappen Angebot steht eine robuste Nachfrage gegenüber, wobei Aktivitäten
    spekulativer Marktteilnehmer den Preisanstieg noch beschleunigen. Was das
    Angebot betrifft, so hält das Kartell Opec plus das Angebot knapp. Das
    Staatenbündnis bleibt bislang dabei, die Fördermenge jeden Monat um lediglich
    400 000 Barrel pro Tag (bpd) zu erhöhen. Hierbei spielen auch politische Gründe
    eine Rolle, weil weder Russland noch Saudi-Arabien daran interessiert sind, der
    mit Blick auf die Wiederwahlchancen auf eine Produktionsausweitung dringenden
    Biden-Administration einen Gefallen zu tun. Erst vor wenigen Tagen hat der
    saudi-arabische Ölminister noch einmal betont, er habe kein Problem mit dem
    gegenwärtigen Ölpreisniveau - was sicherlich auch damit zusammenhängt, dass das
    Land für den teuren Krieg im Jemen viel Geld braucht. Hinzu kommen noch
    unfreiwillige Produktionseinschränkungen in mehreren Förderländern - oder wie im
    Fall der Unruhen in Kasachstan und ihrer Niederschlagung auch nur die Angst
    davor. Die Bemühungen der US-Regierung, durch die Freigabe von Öl der
    strategischen Reserve mehrerer verbündeter Länder den Preis zu senken, dürfen
    mittlerweile als komplett gescheitert gelten.

    Dem steht eine robuste Ölnachfrage gegenüber und auch die Erwartung, dass sich
    auch mit der raschen Verbreitung der Omikron-Virusvariante wegen der meist
    milden Krankheitsverläufe wenig daran ändern wird. Viele Länder haben daher
    schon ihre zunächst ergriffenen Gegenmaßnahmen deutlich abgemildert. Bisher für
    realistisch gehaltene Berechnungen, wonach es im laufenden Quartal eine
    Überversorgung des Marktes um 1,3 bis 1,5 Mill. Barrel pro Tag geben soll,
    erweisen sich als falsch. Die Rohstoffanalysten von Goldman Sachs erwarten nun
    beispielsweise, dass die Opec plus ihre Produktion im laufenden Jahr nur um 2,5
    Mill. bpd erhöhen wird, während die Nachfrage ihrer Meinung nach um 3,5 Mill.
    bpd zunehmen soll. Die Opec geht sogar von einem Anstieg der globalen
    Ölnachfrage um 4,15 Mill. bpd aus. Sie rechnet für 2022 mit einem Bedarf an
    Opec-Öl von durchschnittlich 28,9 Mill. bpd. Dies liegt um rund 1 Mill. bpd über
    der Produktionsmenge der Opec vom Dezember.

    Hinzu kommen als preistreibender Faktor zunehmende geopolitische Spannungen. So
    hat es im Jemen-Krieg jetzt einen Angriff der Huthi-Rebellen auf ein Öldepot in
    den auf der Seite der Saudis kämpfenden Vereinigten Arabischen Emiraten gegeben,
    und weitere Attacken wurden angekündigt. Dass dies keine leeren Drohungen sind,
    zeigt der Angriff der Huthi-Rebellen auf ölverarbeitende Zentren des staatlichen
    saudi-arabischen Konzerns Aramco vom September 2019, der zumindest kurzzeitig
    dazu führte, dass mehr als die Hälfte der saudi-arabischen Ölproduktion ausfiel.
    Derartige Vorfälle könnten bewirken, dass die Marktteilnehmer eine höhere
    geopolitische Risikoprämie im Ölpreis für erforderlich halten. Für den
    Preisanstieg zumindest mitverantwortlich ist aber auch das verstärkte Interesse
    von Finanzinvestoren am Ölmarkt. Gemäß den neuesten verfügbaren Daten ist die
    Zahl der sogenannten branchenfremden Netto-Long-Kontrakte, mit denen diese auf
    einen weiteren Preisauftrieb setzen, zuletzt kräftig gestiegen. Durch den
    Zustand der Backwardation auf dem Markt, also den Umstand, dass kurzfristige
    Kontakte höher notieren als längerfristige, wird Öl für Finanzinvestoren
    interessanter, weil die Übertragung von Gewinnen aus auslaufenden Kontrakten auf
    neue mit sogenannten Roll-Gewinnen verbunden ist.

    Allerdings ist nicht zu erwarten, dass sich der Ölpreis ähnlich wie bei Erdgas
    und Strom gleich vervielfacht - sofern es nicht zu schweren geopolitischen
    Krisen kommt. Die auf breiter Front steigenden Energiepreise dürften zusammen
    mit der allgemeinen Materialknappheit die nach wie vor fragile globale
    Konjunktur abbremsen, was den Preisauftrieb deckeln sollte.

    (Börsen-Zeitung, 22.01.2022)

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