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     2808  0 Kommentare Wohin mit dem Geld?

    Die Diskussion über die Thesen des SPD-Vorsitzenden Müntefering geht unvermindert weiter. Und wie bei allen psychisch problematischen Naturen, schwankt auch bei uns Deutschen die Diskussion ausschließlich zwischen den Punkten „gut“ und „böse“ hin und her. Ist der Kapitalismus nun gut oder böse? Die letzte Ausgabe der „Welt am Sonntag“ widmet diesem Thema einen breiten Raum, wobei die Antwort auf diese Frage bereits unten auf der Titelseite versteckt ist. Denn dort steht: Wohin mit dem Geld?

    Die Antwort auf die Frage, ob der Kapitalismus gut oder böse ist, lautet: Er ist weder gut noch böse. Er ist so, wie er ist. Und jetzt kann man sich entweder etwas vormachen, in luftigen Höhen schweben, Idealvorstellungen skizzieren, hehre Wünsche haben, sich in Träume verlieren – oder man schaut einfach auf die Wirklichkeit. Und hier lautet der entscheidende Punkt: Wohin mit dem Geld?

    Die Bevölkerung in den westlichen Industrieländer schiebt einen riesigen Berg an Vermögen vor sich her, für den sie Anlage sucht. Und je größer dieser Berg wird, umso größer der Anlagenotstand. Derzeit ist überall wenig zu holen. Die Zinsen sind niedrig, die Aktiengesellschaften sind auch nicht super-ertragreich, jedenfalls wenn man sich die Ausschüttungen ansieht. Es muss also etwas getan werden, um die Renditen wieder in die Höhe zu bringen.

    Die Globalisierung ist von der Kapitalanlageseite angestoßen worden, nicht vom Warenverkehr. Die Vermögensbesitzer wollten weltweit anlegen, deshalb sind die Märkte liberalisiert worden. Das deutet auf eine Dominanz des Kapitals über die Güter und die Beschäftigung. Das System heißt ja auch Kapitalismus und nicht Arbeitismus, in dem wir leben. Die wichtigste Frage ist also: Wohin mit dem Geld? Alles andere ist zweitrangig.

    Arbeitslosigkeit ist damit ein Systembestandteil. Darüber kann man weinen. Ändern kann man es nur durch eine Revolution oder eine internationale konzertierte Aktion zum Wieder-Einfangen der liberalisierten Zauberbesen-Märkte. Beides ist derzeit sehr unwahrscheinlich. Also müssen wir weiter alle arbeitslos bleiben und unser Geld an der Börse verdienen.

    berndniquet@t-online.de


    Bernd Niquet
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    DER NEUNTE BAND VON "JENSEITS DES GELDES" IST ERSCHIENEN: Bernd Niquet, Jenseits des Geldes, 9. Teil, Leipzig 2023, 648 Seiten, 23,50 Euro

    Leseprobe: "Jenseits des Geldes".

    Eigentlich war ich vollkommen sicher, dass jetzt die Zeit dieser ganzen Auseinandersetzungen hinter mir lag. Deswegen hatte ich auch extra meine Mietrechtschutzversicherung gekündigt. Dann habe ich aber doch einmal in die Betriebskostenabrechnung hineingeschaut und musste unwillkürlich rechnen. 29.220 Euro im Jahr 2018 für die Reinigung der Treppen und Flure, das sind 93 Euro pro Haus pro Woche. Ich würde das jeweils in zehn Minuten schaffen, doch selbst wenn die ungelernte Hilfskraft zwanzig Minuten braucht, sind das 279 Euro Stundenlohn, den die Leiharbeitsfirma dafür einfährt. Wer dabei nicht an Sizilien denkt, kann eigentlich nicht mehr voll bei Verstand sein.

    Bernd Niquet ist Jahrgang 1956 und wohnt immer noch am letzten grünen Zipfel der Failed Stadt Berlin. Die ersten acht Teile von „Jenseits des Geldes“ sind ebenfalls im Engelsdorfer Verlag erschienen, und zwar in den Jahren 2011, 2012, 2013 sowie 2018, 2019, 2020, 2021 und 2022.

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    Verfasst von Bernd Niquet
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