checkAd

     3084  0 Kommentare Alles Gute hat auch sein Schlechtes

    Jede Börse kann nur dann funktionieren, wenn es unterschiedliche Einschätzungen von Gegenwart und Zukunft gibt. Börsen existieren ausschließlich dadurch, dass an ihnen positive und negative Einschätzungen aufeinander treffen. Wäre dem nicht so, dann gäbe es keinerlei Umsätze an den Börsen.

    Und im Leben ist es auch nicht anders. Alles Gute hat auch sein Schlechtes – und selbst das Schlechte besitzt etwas Gutes. Anders wäre es gar nicht denkbar, denn niemand wüsste, was das Gute wäre, wenn es nicht auch das Schlechte gäbe. Et vive versa.

    Es gibt jedoch Ausnahmen. Und diese darf man nicht hinterfragen, sondern muss sie schlichtweg auswendig lernen. Hier ist es im Leben wie in der Grammatik. Warum zum Beispiel „der Junge” männlich, „das Mädchen” hingegen sächlich ist, kann man zwar vielleicht aus der Geschichte heraus ableiten, doch herumzudeuteln gibt es daran nichts.

    Ebenso ist es beim Nationalsozialismus. Dieser war per definitionem nur schlecht und hatte nichts Gutes. Auch hier kann man historisch ableiten, warum das so ist, doch herumzudeuteln ist daran nichts. Man muss es schlichtweg auswendig lernen.

    Und nicht nur das. Man muss auch lernen, wie das die Grundrechenarten beeinflusst. Sozialleistungen beispielsweise sind durchaus etwas Gutes – außer für diejenigen, die sie für schlecht halten. Werden sie hingegen von Nationalsozialisten gewährt, sind sie per definitonem schlecht. Zu diesem Bekenntnis verpflichten uns sowohl die Grundrechenarten als auch die Logik des Lernens aus der Geschichte. Denn minus mal plus ist immer minus – und zwar egal wie groß das Plus auch immer ist. (Fatalerweise wird das Minus dabei immer größer je größer das Plus ist. Auch das ist wieder eine Lektion aus der Geschichte.)

    An den Märkten existieren freilich auch Ausnahmen von den Gesetzmäßigkeiten. Wenn beispielsweise das Plunge Protection Team (PTT) auftritt, dann können alle Marktteilnehmer pessimistisch sein und trotzdem finden Umsätze statt. Und die Kurse steigen sogar. Das PTT hat also durchaus viel Gutes, obwohl es eigentlich schlecht ist. Außer wenn das PTT mit Nationalsozialisten besetzte wäre. Dann wäre es nur schlecht. Haben die Nazis eigentlich damals schon in die Märkte eingegriffen? So wie wir das heute tun? Das würde der ganzen Lage ja eine völlig neue Dimension einziehen.

    Bernd Niquet
    0 Follower
    Autor folgen
    Mehr anzeigen
    DER NEUNTE BAND VON "JENSEITS DES GELDES" IST ERSCHIENEN: Bernd Niquet, Jenseits des Geldes, 9. Teil, Leipzig 2023, 648 Seiten, 23,50 Euro

    Leseprobe: "Jenseits des Geldes".

    Eigentlich war ich vollkommen sicher, dass jetzt die Zeit dieser ganzen Auseinandersetzungen hinter mir lag. Deswegen hatte ich auch extra meine Mietrechtschutzversicherung gekündigt. Dann habe ich aber doch einmal in die Betriebskostenabrechnung hineingeschaut und musste unwillkürlich rechnen. 29.220 Euro im Jahr 2018 für die Reinigung der Treppen und Flure, das sind 93 Euro pro Haus pro Woche. Ich würde das jeweils in zehn Minuten schaffen, doch selbst wenn die ungelernte Hilfskraft zwanzig Minuten braucht, sind das 279 Euro Stundenlohn, den die Leiharbeitsfirma dafür einfährt. Wer dabei nicht an Sizilien denkt, kann eigentlich nicht mehr voll bei Verstand sein.

    Bernd Niquet ist Jahrgang 1956 und wohnt immer noch am letzten grünen Zipfel der Failed Stadt Berlin. Die ersten acht Teile von „Jenseits des Geldes“ sind ebenfalls im Engelsdorfer Verlag erschienen, und zwar in den Jahren 2011, 2012, 2013 sowie 2018, 2019, 2020, 2021 und 2022.

    Mehr anzeigen
    Verfasst von Bernd Niquet
    Alles Gute hat auch sein Schlechtes Jede Börse kann nur dann funktionieren, wenn es unterschiedliche Einschätzungen von Gegenwart und Zukunft gibt. Börsen existieren ausschließlich dadurch, dass an ihnen positive und negative Einschätzungen aufeinander treffen. Wäre dem nicht …