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    Smart Investor Weekly 26/2012:  1437  0 Kommentare Konto „88888“ – Einst und jetzt

    Verschleiern und vertagen
    Eine ordentlich verfahrene Situation ist dadurch gekennzeichnet, dass es keinen echten Ausweg gibt, vor allem keinen schmerzlosen. Der Euro-Karren befand sich schon nach wenigen Jahren in einer solch verfahrenen Situation und wurde durch(!) mehrfache „Rettungsversuche“ immer weiter in den Dreck geschoben – so weit, dass ihn heute praktisch niemand mehr herausziehen kann. Als rein politisches Thema wurde der Euro ohnehin von Anfang an den Erwägungen ökonomischer Vernunft konsequent entzogen. Stattdessen gab es pseudo-ökonomische Rechtfertigungspropaganda: „Deutschland profitiert vom Euro!“ So oder so ähnlich tönt es heute allerdings nur noch aus der Betonkopffraktion der unverbesserlichsten Realitätsverweigerer. Eine ehrliche Bestandsaufnahme der beabsichtigen Maßnahmen und eine ergebnisoffene Abstimmung sind dennoch nicht zu erwarten, wenn Bundestag und Bundesrat am kommenden Freitag mehrheitlich den ESM-Vertrag zur Errichtung eines sogenannten Europäischen Stabilitätsmechanismus ratifizieren werden. Da im Rahmen der Euro-„Rettung“ nicht nur ökonomische, sondern auch juristische Grundsätze permanent mit Füßen getreten werden, hat jetzt zumindest das Bundesverfassungsgericht vorsorglich den Bundepräsidenten „gebeten“, das ESM-Gesetz zunächst einmal nicht zu unterschreiben.

    Letzte Zuflucht „88888“
    Und was machen die Märkte?! Obwohl der ESM nicht nur ein geradezu marktfeindliches, sondern auch noch untaugliches Konstrukt zentraler Intervention und Steuerung ist, reagierten die Märkte schockiert. Nicht etwas, weil diese nichts und niemandem verantwortliche Super-Badbank kommt, sondern weil für die Dauer eines Wimpernschlags die Möglichkeit bestand, dass sie vielleicht noch(!) nicht kommt. „Die Märkte“, eigentlich die bestimmenden Spieler an den Märkten, sind inzwischen so abhängig von der Droge der Intervention in Form von staatlicher Verlustübernahme und Geldgeschenken der Steuerzahler, dass schon die vage Möglichkeit ihres Ausbleibens Panikattacken auslöst – wie bei echten Drogen. Dabei ist die Intervention à la ESM keine Problemlösung, sondern allenfalls Problemverschiebung und -verschleierung. In einer derart verfahrenen Situation ist jede echte Lösung eben schmerzhaft. Diese Erkenntnis und das Eingeständnis dieser Erkenntnis, will die Politik uns und vor allem sich selbst so lange wie möglich ersparen. Das Muster ist wohlbekannt: Auch der ehemalige Börsenhändler Nick Leeson manövrierte sich auf diese Weise von einer verfahrenen in eine ausweglose Situation. Um sich und seinen Vorgesetzten (in der Euro-Analogie der Bürger als der Souverän bzw. in Schäuble-Sprech der „Teil-Souverän“) die gewaltige Schieflage nicht eingestehen zu müssen, entwickelte er einige Kreativität und allerlei Finten beim Verstecken und Verschleiern der Verluste (heute heißt das Griechenland-I-Paket, Griechenland-II-Paket, EFSF, Target2, etc.). Schließlich kam er auf die glorreiche Idee, die Verluste auf ein verschwiegenes Konto mit der Nummer 88888 zu verschieben, das man wohl heute als ESM bezeichnen würde. Dort schlummerten sie und weil dadurch auch damals kein Problem gelöst wurde, kam was kommen musste: Das Konto flog den Beteiligten zusammen mit der altehrwürdigen Barings-Bank um die Ohren und Nick Leeson suchte erst einmal das Weite. Schon Leeson wusste, wie man das eigene unbedeutende Schicksal mit etwas Großem verbindet: Scheitert Nick Leeson, dann scheitert auch Barings. Wer wäre also geeigneter, berufener und erfahrener als Nick Leeson, um das neu zu schaffende Konto ESM-88888 zu betreuen?!

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    Verfasst von 2Ralf Flierl
    Smart Investor Weekly 26/2012: Konto „88888“ – Einst und jetzt Oder: Warum Nick Leeson neuer ESM-Chef werden sollte.