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    Kolumne  1097  0 Kommentare Dr. Christoph Bruns (LOYS): Wall Street durch US-Wahlkampf gelähmt

    Seit geraumer Zeit treten die Aktien an der Wall Street - aller Alternativlosigkeit zum Trotz - auf der Stelle. Bereits im Jahr 2015 kam der Markt keinen Deut voran und der repräsentative S&P 500 Index verlor 20 Pünktchen. Weil es sich aber beim S&P 500, im Gegensatz zum hiesigen DAX, um einen Kursindex handelt, ist die Dividendenrendite der Indexgesellschaften hier noch hinzuzurechnen, sodass per saldo im letzten Jahr eine gute schwarze Null zu verbuchen war. Im heurigen Jahr konnte sich der S&P 500 ebenfalls kaum von der Nulllinie entfernen, wiewohl die amerikanischen Blue Chips mit ihrer mageren Entwicklung ihren Pendants in Europa und Asien bislang klar die Rücklichter zeigen.

    Zu den Faktoren, die aktuell den amerikanischen Aktienmarkt zurückhalten, zählt vor allem der Präsidentschaftswahlkampf, der in diesem Jahr besondere Unsicherheit stiftet. Zwar geht der Markt überwiegend von einem Sieg Hillary Clintons als bestens im politischen Establishment verankerter Kandidatin aus; ihr Rivale Donald Trump ist jedoch derartig unberechenbar, dass man ihn zum jetzigen Zeitpunkt keineswegs abschreiben darf. Mit seiner Überraschungstaktik gepaart mit einem sehr offensiven Angriffsstil konnte er in den letzten Monaten zur Verblüffung der Medien und seiner eigenen Partei etliche Vorwahlschlachten deutlich für sich entscheiden. Trump, der gewiss noch keine Diplomatenschule von innen gesehen hat, schont bei seinen Attacken weder Freund noch Feind. Und auch in der Kategorie des Dreckschleuderns wusste sich der New Yorker Immobilientycoon schnell Respekt zu verschaffen, nachdem er wegen seiner verschiedenen Ehen mit osteuropäischen Modells und seiner vermeintlich kleinen Hände von den politischen Wettbewerbern unsanft angegangen wurde. Zum höheren Gaudium des staunenden Publikums lederte Trump seinen Kontrahenten Rubio als warmduschenden Grünschnabel ab und Mitbewerber Cruz musste zu seinem Entsetzen in der Zeitung ein in der Tat unglückliches Foto seiner lieben Gattin nebst Trumps strahlender Melina abgebildet erblicken. Frau Clinton darf sich also im Endspurt des Wahlkampfs auf einiges gefasst machen und einen gewissen Unterhaltungswert kann man Trump wahrlich nicht absprechen.

    Die Wall Street, die nicht nur ihre Zuneigung sondern vor allem ihre finanzielle Unterstützung überwiegend in Richtung Hillary Clinton dirigiert hat, fürchtet sich vor den unkonventionellen Ein- und Ausfällen Trumps. So mag zwar die Mexikanerfeindlichkeit des Kandidaten aus legalistischen Gründen noch halbwegs nachvollziehbar sein, allein die Wirtschaft würde ohne die Hilfe der vielen Millionen hispanischer Arbeitsbienen eingehen. Ohne die Mittelamerikaner ist überhaupt nicht zu sehen, wer etwa die amerikanischen Vorgärten pflegen, die Flugzeuge reinigen oder die Häuser putzen soll. Auch Trumps Vorstellungen vom Freihandel wirken auf Finanzfachleute unverdaulich. Sollten Apple, Cisco, Hewlett Packard und Co. gezwungen werden, ihre tangiblen Produkte in den USA zu fertigen, dann kommt es ad-hoc zu einem inflationären Schock, denn mit 300 US-Dollar Lohn im Monat lässt sich in den USA - anders als in China - kaum leben, und schon gar nicht an der Westküste.

    Die einfältige Sicht Trumps auf die Wirklichkeit lässt den Kandidaten in den Augen einer gewissen Klientel glaubhaft wirken und macht ihn selbst glauben, Politik bestehe darin, mit seinem jeweiligen Gegenüber jeweils ein Geschäft abzuschließen. So meint Trump etwa den Chinesen mit einem Ausfall ihrer gehaltenen US-Staatsanleihen drohen zu können, damit das jahrzehntelange Handelsdefizit gegenüber dem Reich der Mitte endlich verschwinde. Er ahnt scheinbar gar nicht, dass mit einem US-Zahlungsausfall die Hegemonie des Dollars auf den Weltmärkten beendet würde und die USA damit ihres größten Vorteils beraubt wären.

    Europa und vor allem Deutschland wiederum will er für die amerikanische Militärpräsenz auf dem alten Kontinent bezahlen lassen, nicht ahnend, dass ein Abzug der Amerikaner aus ihren vielen überseeischen Stützpunkten ein Herr von Arbeitslosen in die USA zurückführen würde.

    Der amerikanische Aktienmarkt hat während der letzten zweihundert Jahre gar manches erlebt und vor allem prosperierend überlebt. So wird es schließlich auch mit der aktuellen Präsidentschaftswahl enden. Wer auf die Fakten blickt, kommt nicht umhin, zur Kenntnis zu nehmen, dass sich US-Eigenkapitaltitel langfristig vorzüglich entwickelt haben. Wer genau vor zehn Jahren, also noch vor der großen Finanzkrise, am 12. Mai 2006 den S&P 500 gekauft hat, der blickt heute auf eine durchschnittliche jährliche Wertentwicklung von knapp sieben Prozent inklusive Dividenden zurück. Bei zwanzigjähriger Haltefrist wären es sodann knapp acht Prozent pro Jahr. Geht man sogar bis zum Mai 1986 zurück, dann konnten Anleger mehr als 9 Prozent pro Jahr mit amerikanischen Aktien einstreichen. In diesem Sinne spricht manches dafür, dass sich die US-Aktien erst nach der Wahl am 8. November aus ihrer derzeitigen Starre befreien können.

    Aus Chicago

    Ihr Dr. Christoph Bruns

    Christoph Bruns ist Fondsmanager und Mit-Inhaber der Fondsgesellschaft LOYS AG.




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    Kolumne Dr. Christoph Bruns (LOYS): Wall Street durch US-Wahlkampf gelähmt Seit geraumer Zeit treten die Aktien an der Wall Street - aller Alternativlosigkeit zum Trotz - auf der Stelle. Bereits im Jahr 2015 kam der Markt keinen Deut voran und der repräsentative S&P 500 Index verlor 20 Pünktchen. Weil es sich aber beim S&P 500, im Gegensatz zum hiesigen DAX, um einen Kursindex handelt, ist die Dividendenrendite der Indexgesellschaften hier noch hinzuzurechnen, sodass per saldo im letzten Jahr eine gute schwarze Null zu verbuchen war. Im heurigen Jahr konnte sich der S&P 500 ebenfalls kaum von der Nulllinie entfernen, wiewohl die amerikanischen Blue Chips mit ihrer mageren Entwicklung ihren Pendants in Europa und Asien bislang klar die Rücklichter zeigen.

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