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     3425  1 Kommentar Wie damals – in den dunklen Zeiten

    Es ist wirklich ein beinahe unglaublicher Zufall, dass am selben Tag, an dem ich hier von meinem Frankreich-Urlaub berichtete, welche Schwierigkeiten das Land hat, mit den führenden Wirtschaftsnationen in Europa mitzuhalten, die „Welt“ einen nahezu identischen Urlaubsbericht ihres Wirtschaftsjournalisten Holger Zschäpitz aus Italien veröffentlicht.

    Zschäpitz schreibt darin: "Irgendwie ist das Land liebenswürdig, aber viel zu ineffizient, um langfristig im Euro zu überleben.“ Das sagt sich natürlich so leicht dahin. Doch was heißt das eigentlich? Ist sich eigentlich überhaupt jemand wirklich im Klaren darüber, in welcher wirtschaftlichen Lage wir uns in Europa befinden?

    Mit dem Euro haben wir völliges Neuland betreten, doch jetzt laufen wir Gefahr, Geschichte zu wiederholen – und zwar die böseste Phase der Wirtschaftspolitik, die uns in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts beinahe komplett in den Abgrund gefahren hat: staatlich verordnete Deflationspolitik!

    Damals gab es noch den Goldstandard, deshalb durfte und konnte kein Land abwerten. Heute sind wir bereits einen Schritt weiter. Heute ist das sogar theoretisch unmöglich.

    Hatten wir in den 30er Jahren der Deflation gegenüber gleichsam ein Eheversprechen abgeben, so sind wir heute mit ihr sogar verheiratet. Inklusive einem Ehevertrag, der jede Scheidung eigentlich unmöglich macht.

    Ich kann mir nicht vorstellen, dass auch nur einer der Politiker – insbesondere in den heutigen Krisenländern – sich auch nur annähernd ausgemalt hat (oder ausmalen konnte), in welche Situation ihre Länder durch den Euro geraten könnten.

    Es ist ja heute wohl unstrittig, dass gerade der französische Staatspräsident François Mitterrand im Jahr 1989 für seine Zustimmung zur deutschen Wiedervereinigung die Einführung der Europäischen Währungsunion verlangt hat. So wollte man sowohl Deutschland in Europa einbinden als sich auch von dem Joch der D-Mark befreien.

    Doch was hat man bekommen? Heute gibt es zwar keine D-Mark mehr, doch heute ist man mit Eisenketten an die deutsche Produktivität und das merkantilistische deutsche Wirtschaftsmodell gekettet. Dadurch ist man in nahezu nichts mehr sein eigener Herr.

    Die Italiener kommen damit sicherlich irgendwie klar, sie haben ja auch Berlusconi überlebt. Doch was wird aus dem stolzen Land, dessen große Revolution uns erst unsere Freiheitsrechte gebracht hat?

    Von den anderen Südländern gar nicht zu sprechen, den Griechen, Spaniern, Portugiesen. Hier vernichtet der Euro die Chancen ganzer Generationen junger Menschen.

    Doch irgendwie ist das derzeit gar kein Thema. Es läuft doch alles wunderbar. Und wenn wir uns doch einmal gruseln wollen, haben wir ja Trump, Erdogan und Putin.



    Bernd Niquet
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    DER NEUNTE BAND VON "JENSEITS DES GELDES" IST ERSCHIENEN: Bernd Niquet, Jenseits des Geldes, 9. Teil, Leipzig 2023, 648 Seiten, 23,50 Euro

    Leseprobe: "Jenseits des Geldes".

    Eigentlich war ich vollkommen sicher, dass jetzt die Zeit dieser ganzen Auseinandersetzungen hinter mir lag. Deswegen hatte ich auch extra meine Mietrechtschutzversicherung gekündigt. Dann habe ich aber doch einmal in die Betriebskostenabrechnung hineingeschaut und musste unwillkürlich rechnen. 29.220 Euro im Jahr 2018 für die Reinigung der Treppen und Flure, das sind 93 Euro pro Haus pro Woche. Ich würde das jeweils in zehn Minuten schaffen, doch selbst wenn die ungelernte Hilfskraft zwanzig Minuten braucht, sind das 279 Euro Stundenlohn, den die Leiharbeitsfirma dafür einfährt. Wer dabei nicht an Sizilien denkt, kann eigentlich nicht mehr voll bei Verstand sein.

    Bernd Niquet ist Jahrgang 1956 und wohnt immer noch am letzten grünen Zipfel der Failed Stadt Berlin. Die ersten acht Teile von „Jenseits des Geldes“ sind ebenfalls im Engelsdorfer Verlag erschienen, und zwar in den Jahren 2011, 2012, 2013 sowie 2018, 2019, 2020, 2021 und 2022.

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    Verfasst von Bernd Niquet
    Wie damals – in den dunklen Zeiten Strangulierung wie in den 30er Jahren