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    Buchtipp  1630  0 Kommentare Das trügerische Gedächtnis - Seite 2

    "Wir alle", so die Autorin, "sind anfällig für die gleichen Arten von Erinnerungstäuschungen und überschätzen die Sicherheit unserer Erinnerungen. Und wir müssen anerkennen, dass allzu große Selbstgewissheit in Bezug auf unsere Erinnerungen nicht angebracht ist. Für mich ist diese Selbstgewissheit vielmehr oft ein Warnsignal. ACHTUNG, diese Person ist sich vielleicht nicht ausreichend über ihre Wahrnehmungsverzerrungen im Klaren. ACHTUNG, diese Person weiß vielleicht nichts von Erinnerungstäuschungen und Erinnerungsschwächen." (S. 180).

    Shaw berichtet von dem "Innocence Project" in den USA, das sich der Aufgabe widmete, Unschuldige, die für ein Verbrechen verurteilt worden waren, zu rehabilitieren. Insgesamt wurden 337 Menschen befreit, die zu Unrecht im Gefängnis gesessen hatten - DNA Tests hatten zweifelsfrei belegt, dass sie unschuldig waren und die Tat von einem anderen begangen worden war. Fehlerhafte Erinnerungen von Zeugen spielten in mindestens 75 Prozent dieser Fälle eine Rolle (S. 158).

    Die Autorin zeigt auch die Gefahr von Therapien und Psychoanalyse auf, bei denen Patienten dazu gebracht würden, vermeintlich verdrängte Erlebnisse noch einmal zu erleben. Nicht selten würden diese angeblichen Erlebnisse während der Therapie erst "erzeugt". Ähnliches geschehe bei Polizeibefragungen, bei denen zu oft mit suggestiven Methoden gearbeitet werde. "Das heißt, dass unsere falschen Wahrnehmungen der Wirklichkeit in unser Gedächtnissystem eingespeist und später wieder erinnert werden können, obwohl sie nie die objektive Wirklichkeit abgebildet haben." (S. 70) Die falschen Erinnerungen sehen oft echt aus und fühlen sich auch so an - und da sie keine Form der Lüge sind, wirken sie auch nicht wie eine Täuschung (S. 247).

    Manchmal komme die Erkenntnis, dass etwas nicht stattgefunden haben kann, nur im Lichte neuer Beweise zustande, die unseren bisherigen Überzeugungen widersprechen. Meist stellten wir unser Gedächtnis aber nicht infrage. Manche Menschen behaupten sogar, sich an Ereignisse ihrer ersten Lebensjahre oder sogar an ihre Geburt zu erinnern. Sie schildern diese Ereignisse so plastisch und mit so vielen Details, dass sie plausibel wirken. In Wahrheit hat die Wissenschaft jedoch herausgefunden, dass solche Erinnerungen an die ersten Lebensjahre unmöglich sind. Meist handelt es sich um Geschichten, die die Eltern uns erzählt haben. Unser Gehirn kann nur unzureichend zwischen eigenen Erinnerungen unterscheiden und Geschichten, die uns andere erzählt haben. Die Autorin spricht von "Quellenverwechslung, bei der wir die Quelle der Information vergessen, an die wir uns erinnern, was uns zu der Annahme verleiten kann, wir hätten Dinge erlebt, von denen man uns nur erzählt hat" (S. 224).


    Rainer Zitelmann
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    Dr. Dr. Rainer Zitelmann ist Historiker, Politikwissenschaftler und Soziologe - und zugleich ein erfolgreicher Investor. Er hat zahlreiche Bücher auch zu den Themen Wirtschaft und Finanzen* geschrieben und herausgegeben, viele davon sind in zahlreiche Sprachen übersetzt worden. * Werbelink
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    Verfasst von Rainer Zitelmann
    Buchtipp Das trügerische Gedächtnis - Seite 2 Julia Shaw, Das trügerische Gedächtnis. Wie unser Gehirn Erinnerungen verfälscht, Carl Hanser Verlag, München 2016, 302 Seiten.