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     1951  0 Kommentare „Europa muss seine Erwartungen zurückschrauben“ - Seite 3

    FR: Was bedeutet das für die Unternehmen?  

     Fuest: Das bedeutet zuallererst wachsende Handelskosten und einen niedrigeren Kurs des Pfunds. Es bestehen einige gravierende Unsicherheiten, welche Regeln in Zukunft gelten, was für Unternehmen sowohl in Großbritannien als auch auf dem Kontinent eine hohe Belastung darstellt. Eine Übergangsregelung wäre hier hilfreich.

    FR: Wie schätzen Sie die Lage für die deutsche Konjunktur ein?  

    Fuest: Der ifo Geschäftsklimaindex ist auf dem höchsten Stand seit 2011, das ist schon ein sehr starkes Konjunktursignal. Und die Erwartungen des Verarbeitenden Gewerbes – also das Zusammenspiel zwischen Lagereinschätzung und Absatzerwartung – für die nächsten sechs Monate deuten tatsächlich auf einen Boom hin. Wir erwarten 1,5 Prozent Wachstum des BIP fürs nächste Jahr, kalenderbereinigt wären das 1,8 Prozent, die Beschäftigung wird sogar ein neues Rekordniveau erreichen.

    FR: Das klingt doch recht vielversprechend.

    Fuest: In der Tat. Was allerdings vielen Menschen Sorgen bereitet, ist die anhaltende Niedrigzinssituation. Die Realverzinsung lag letztes Jahr noch bei null, dieses Jahr sind es aber minus 1,5 Prozent. Das ist zwar historisch schon vorgekommen, die Frage ist allerdings, wie lange man ein solches Szenario aufrechterhält.

    Ich denke, dass die EZB im Herbst etwas unternehmen wird. Sie wird wohl erst die Anleihekäufe abbauen und dann die Zinsen erhöhen. Zum Beispiel könnte sie das Volumen der Anleihekäufe ab 2018 um 10 Milliarden Euro pro Monat verringern.

    FR: In anderen europäischen Staaten sieht die wirtschaftliche Lage nicht so rosig aus.

    Fuest: Wenn wir uns die wirtschaftliche Entwicklung in den einzelnen EU-Staaten betrachten, sehen wir doch recht unterschiedliche Ergebnisse. In Deutschland hat sich das Pro-Kopf-Einkommen seit Euro-Einführung 2000 um rund 20 Prozent gesteigert. In Frankreich waren es seitdem knapp zehn Prozent und in Griechenland etwa minus drei Prozent. Und obwohl Griechenland immer als Worst-Case-Szenario dargestellt wird, ist die Lage in Italien mit minus sieben Prozent in diesem Punkt wesentlich schlimmer. Das ist in der Geschichte der OECD-Staaten seit dem zweiten Weltkrieg ein einmaliger Vorgang.

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    Verfasst von Thomas Gräf
    „Europa muss seine Erwartungen zurückschrauben“ - Seite 3 Präsident Trump, der Brexit, die Schuldenkrise in der Eurozone – die Gefahren für Wirtschaft und Kapitalmärkte sind vielfältig. FundResearch sprach mit Professor Clemens Fuest, dem Leiter des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung, darüber, wo Europa und Deutschland heute stehen.