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     1951  0 Kommentare „Europa muss seine Erwartungen zurückschrauben“ - Seite 4

    FR: Also ist Italien das eigentliche Sorgenkind der EU?

    Fuest: Italien war einmal eins europafreundlichsten Länder der EU; mittlerweise lehnt ein großer Teil der Bevölkerung die EU ab. Das Risiko, das ich sehe, liegt darin, dass Cinque Stelle die nächste Wahl gewinnt und den möglichen Austritt benutzt, um Deutschland zu erpressen.

    FR: Wieso ist Deutschland in dieser Hinsicht erpressbar?

     Fuest: Das hat seine Ursache in den Target-Salden der nationalen Notenbanken. Die befinden sich derzeit auf einem historischen Höchststand. Italien und Spanien stehen bei der EZB jeweils mit rund 350 Milliarden Euro in der Kreide. Der Saldo Deutschlands beträgt im Gegenzug derzeit mehr als (plus) 800 Milliarden Euro. Wenn Cinque Stelle die Wahl gewinnt, könnte sich der italienische Target-Saldo innerhalb weniger Tage locker verdoppeln. Ein neuer italienischer Ministerpräsident hätte also ein enormes Druckmittel, indem er die Rückzahlung im Falle des Austritts infrage stellt.

     

    FR: Wohin wird sich denn die Eurozone in Zukunft entwickeln?

    Fuest: Es ist entscheidend, die Governance zu verbessen. Die Eurozone beruht ja auf der Idee, dass sich souveräne Staaten an bestimmte Verpflichtungen binden können – zum Beispiel ein Budget-Defizit. Das ist jedoch ein fundamentaler Denkfehler. Souveräne Staaten werden nichts tun, was gegen ihre Interessen spricht. Es liegt nun mal häufiger im Interesse der Euro-Staaten, von diesen Verpflichtungen abzuweichen. Das heißt in der Folge, dass wir die Eurozone so organisieren müssen, dass wir von den Versprechungen der Mitgliedstaaten nicht abhängig sind.

     FR: Können Sie dafür ein Beispiel nennen?

     

     Fuest: Das lässt sich schön am Beispiel Griechenland beobachten. Tsipras hat sich ja 2012 mit dem Vertrag zum ersten Hilfsprogramm verpflichtet, bis 2014 einen Primärüberschuss von sechs Prozent zu erzeugen. Tatsächlich hat Griechenland das Primärdefizit auf null gebracht – und seitdem dort belassen. Als Schuldner haben sie kein Interesse an Tilgung oder Zinszahlung. In der Folge gab es einen neuen Vertrag: Nun wurde ein Primärüberschuss von 4,5 Prozent bis 2016 festgelegt. Das Ergebnis war jedoch wieder null. Also wurde das Ziel für den Primärüberschuss im dritten Anpassungsprogramm nochmal auf 3,5 Prozent reduziert. 2016 wird vielleicht ein höherer Überschuss erzielt, aber der wird 2017 wohl wieder verschwinden. Das ist natürlich Realsatire.

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    Verfasst von Thomas Gräf
    „Europa muss seine Erwartungen zurückschrauben“ - Seite 4 Präsident Trump, der Brexit, die Schuldenkrise in der Eurozone – die Gefahren für Wirtschaft und Kapitalmärkte sind vielfältig. FundResearch sprach mit Professor Clemens Fuest, dem Leiter des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung, darüber, wo Europa und Deutschland heute stehen.

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