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    Marktkommentar  629  0 Kommentare Dr. Georg von Wallwitz (Eyb & Wallwitz): Drücken wir uns klar aus?

    In seinem Börsenblatt Nr. 124 macht sich Dr. Georg von Wallwitz Gedanken zur Bedeutung der Sprache in der Finanzindustrie.

    Kürzlich hat Paul Romer, der Chefökonom der Weltbank, seine Mitarbeiter angehalten, konkreter und präziser auszudrücken, was sie meinen, wenn sie eine Analyse schreiben.

    Darüber hinaus forderte er kürzere Präsentationen und Emails von den Ökonomen, sowie einen sorgfältigeren Umgang mit der Sprache. Etwa wollte er den inflationären Gebrauch des Wortes „und“ eingedämmt sehen, mit dem oft unzusammenhängende Themen aneinander gereiht werden (z.B. „Ich bin gegen Klimawandel und Terrorismus und Sexismus und den Euro und nahöstliche Investoren in der Fußball-Bundesliga“). In letzter Zeit hat „und“ etwa 6% aller Worte in den Analysen der Weltbank-Ökonomen ausgemacht.1

    Der Zusammenhang zwischen Sprache und Realität ist ein altes philosophisches Thema, welches die Investoren stärker berührt, als sie es oft bemerken. Bilden unsere Begriffe und Modelle die Wirklichkeit gut genug ab, um auch in der Krise noch zu funktionieren? Oder sind sie so schwammig oder abstrakt, dass sie an der Realität vorbei gehen – oder diese gar mit Absicht verbergen?

    Schwammige Begriffe ziehen schwammiges Denken nach sich, weshalb Ökonomen gerne zu mathematischen Formeln greifen, um sich ganz präzise auszudrücken. Dazu bringen sie eine Erfahrungstatsache auf einen Begriff und diesen in eine fehlerfreie Formel. Das zwingt zu präzisem Denken, sollte man meinen, denn das Denken in Formeln kann immerhin nur ein falsches Ergebnis liefern, wenn der „Input“ fehlerhaft ist. Das allerdings passiert allzu häufig. Die Mathematisierung unserer Ausdrucksweise führt allgemein nicht dazu, dass wir genauer denken, denn allzu oft vergessen wir dann den Unterschied zwischen formaler und natürlicher Sprache, zwischen Realität und Modell. Um es kurz und präzise zu sagen: Eine Formelsprache ist auch nicht die Lösung, denn sie ist oft zu abstrakt, um die Realität hinreichend gut abzubilden. (Etwa hatte die Bank of England vor der Finanzkrise ein Volkswirtschaftliches Modell, welches zu seinen unausgesprochenen Voraussetzungen zählte, dass die Versorgung der Wirtschaft mit Liquidität immer gewährleistet ist (was aber bei einer Bankenkrise nicht der Fall sein kann). Das Modell sah gut aus, war aber nicht realitätsnah.)

    An dieser Stelle bewahrheitet sich Ludwig Wittgensteins berühmter Satz aus dem Tractatus: „Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt.“ (Satz 5.6.) Denn in der Tat, was man nicht klar aussprechen kann, kann man vermutlich auch nicht klar denken (Tractatus, Satz 4.116). Und, so können wir aus der profanen Perspektive des Investors hinzufügen: Wenn wir nicht klar denken können, werden wir bald Geld verlieren.

    Schwammige Formulierungen sind in der Investment-Branche aber nicht nur unklarem Denken geschuldet, sondern sie haben durchaus System.

    Viele Begriffe bleiben undefiniert in der Hoffnung, sie sind ein gutes Verkaufsargument, unter dem jeder sich das passende vorstellt. Niemand kann genau sagen, was bei Investitionen „Nachhaltigkeit“ („Sustainability“!), „Robo-Advice“, „Sicherheit“, „Risiko“, „robust“ etc. bedeuten. Niemand kann sagen, was „Hedge-Fonds“ gemein haben (außer zu hohen Gebühren) oder was sie tun, wenn sie „Künstliche Intelligenz“ einsetzen (die, wenn man es genauer betrachtet, wenig mit „Intelligenz“ zu tun und viel mit geistloser Datenverarbeitung).

    Als Fondsmanager ist man irgendwann aber gezwungen, jenseits aller schwammigen Formulierungen, konkrete Entscheidungen zu treffen. Denn man muss sich entscheiden: Habe ich eine Position oder habe ich sie nicht. Habe ich Aktien oder nicht, und wenn ja, welche? Es gibt keinen guten Mittelweg zwischen haben und nicht-haben an der Börse. Die Schwammigkeit, die bei Reden vom Publikum gerne verziehen wird (um der Unterhaltung willen), lässt die Börse nicht durchgehen. Vielleicht tun sich deshalb so viele Börsengurus, die nie selbst Geld verwaltet haben, so schwer, wenn sie es eines Tages doch versuchen. Beispiele gibt es genug.

    Das legt natürlich die Frage nahe, ob wir es besser machen. Und an dieser Stelle ertappe ich mich dabei, dass ich auch noch nie in kurzen und einfachen Worten auf den Punkt gebracht habe, wie wir unsere Fonds managen. Diesen Missstand werde ich (so gut es geht) sofort beheben, denn wenn ich es nicht könnte, sollte ich kein Geld verwalten.

    Erstens, was wir nicht tun:

    • Wir machen kein Market-Timing
    • Wir bilden keinen Index nach
    • Wir sind keine Trader, halten unsere Positionen für lange Zeit
    • Wir setzen Derivate so selten wie möglich ein
    • Wir spekulieren nicht (verlassen uns nicht auf die „Greater Fool Theory“)

    Zweitens, was wir tun:

    • Wir kaufen Aktien von Unternehmen mit funktionierendem Geschäftsmodell (erkennbar an hohen Margen aufgrund von Skaleneffekten, staatlich garantierten Patenten, Monopolstellungen, starken Marken)
    • Wir suchen Wachstum
    • Wir meiden stark verschuldete Unternehmen
    • Wir kaufen nur zu vertretbaren Kursen (d.h. maximal zu einem Kurs, der den inneren Wert einer Aktie wiederspiegelt)
    • Wir investieren global
    • Wir halten ein konzentriertes Aktien-Portfolio (in der Regel um 35 Titel) und ein breit gestreutes Anleihen-Portfolio.
    • Wir kaufen nur liquide Wertpapiere

    Oder ganz kurz auf den Punkt gebracht: Wir kaufen für unsere Fonds nur Wertpapiere, die wir uns auch privat kaufen würden.

    Ich hoffe, damit ist klar geworden, was wir tun. Wenn nicht, so wird es mir wohl wie Paul Rohmer gehen, der kurz nach seinem Memo von seiner Aufgabe, die Analyse-Abteilung zu leiten, entbunden wurde. Die Forderung nach klarer und kurzer Ausdrucksweise war wohl doch zu kühn.

    1 http://www.economist.com/blogs/graphicdetail/2017/05/daily-chart-20


    „Sloppy writing reflects sloppy thinking.“ 

    MILTON FRIEDMAN 

    Im Leben ist es ja nie der mathematische Satz, den wir brauchen, sondern wir benützen den mathematischen Satz nur, um aus Sätzen, welche nicht der Mathematik angehören, auf andere zu schließen, welche gleichfalls nicht der Mathematik angehören. 

    LUDWIG WITTGENSTEIN, TRACTATUS, SATZ 6.211




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