Merkels Wohlstands-Illusion platzt 2019 - Seite 4
Dabei wäre ein Programm nicht nur denkbar, sondern auch in unserem eigenen Interesse.
Fünf Vorschläge für eine kluge deutsche Wirtschaftspolitik
- mehr staatliche Investitionen in Deutschland, vor allem in klassische und digitale Infrastruktur und Bildung aber auch in innere und äußere Sicherheit;
- Umstellen der Besteuerung der Unternehmen, um Investitionen, Forschung und Entwicklung in Deutschland zu fördern, zum Beispiel im Bereich von Robotern und Automatisierung;
- Senken der Abgabenlast für kleinere und mittlere Einkommen über eine Reduktion der Sozialbeiträge - gerade diese Einkommensgruppen geben am ehesten das zusätzliche Geld aus;
- Gründen eines Staatsfonds nach dem Muster von Norwegen oder Singapur, um unser Auslandsvermögen endlich besser anzulegen;
- wirkliches Sanieren der Eurozone durch einen umfangreichen Schuldenschnitt und eine Neuordnung der Mitgliedsländer, da nur so einige der Krisenländer überhaupt wettbewerbsfähig werden können.
Stattdessen werden wir es wohl auf die harte Tour erleben. Der Brüsseler Thinktank Bruegel hat einmal durchgerechnet, wie sich ein Importzoll von 35 Prozent auf europäische Autos auf die hiesige Industrie auswirken würde. Wenig überraschend würde es die deutsche Automobilindustrie massiv treffen. Bis zu 17 Milliarden Exportumsatz wären demnach gefährdet.
Noch hat die US-Regierung ihre Drohung gegen Deutschland nicht wahr gemacht. Stattdessen ist China (zu Recht!) im Fokus der amerikanischen Maßnahmen. Bleibt es jedoch bei den erheblichen deutschen Überschüssen, ist es nur noch eine Frage kurzer Zeit, bis es auch zu Beschränkungen deutscher Exporte kommt. Die Freude in Berlin über den "Verhandlungserfolg" des Wirtschaftsministers dürfte von kurzer Dauer sein.
Konjunkturabsturz und neue Eurokrise
Damit deutet sich ein gefährliches Szenario an: Die Eurokrise bricht zu einem Zeitpunkt wieder auf, in dem die deutsche Wirtschaft in eine Rezession stürzt, ausgelöst durch den teilweisen Wegfall zweier großer Exportmärkte. Ganz Europa rutscht in eine Rezession, was wiederum die Divergenzen im Euro noch deutlicher zutage treten lässt. Die EZB wird noch massiver intervenieren, um das Konstrukt vor dem Einbruch zu bewahren, damit aber weitere protektionistische Maßnahmen heraufbeschwören, weil nicht nur die USA darin einen erneuten Versuch sehen, über die Abschwächung des Euro einen Wettbewerbsvorteil zu erzielen.
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Über Nacht werden wir aus der Wohlstandsillusion erwachen. Wir werden erkennen, dass wir unseren konjunkturellen Aufschwung selbst finanziert haben und dabei in erheblichem Maße Forderungen aufgebaut haben, die nicht werthaltig sind. Es wird schlagartig sichtbar, dass wir nicht in der Lage sind, ganz Europa zu finanzieren. Und es wird klar, dass unsere Politik die guten Jahre nicht dafür genutzt hat, vorzusorgen, sondern unsere Lasten so zu erhöhen, dass uns der nächste Abschwung umso brutaler trifft.
Der Illusionskünstlerin im Kanzleramt mag noch der eine oder andere Trick gelingen. Doch auch bei ihr gilt der Grundsatz, den schon Abraham Lincoln prägte: "You can fool all the people some of the time, and some of the people all the time, but you cannot fool all the people all the time." Die Zeit läuft aus.