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Drei neue Dekrete an einem Morgen - Erdogan treibt Staatsumbau voran
ISTANBUL (dpa-AFX) - Nur Stunden nach seiner Vereidigung als türkischer Präsident hat Recep Tayyip Erdogan den Umbau des Staates nach seinen Wünschen im Eilverfahren vorangetrieben. Am frühen Dienstagmorgen erschienen gleich drei neue Dekrete auf der Webseite des Staatsanzeigers, mit denen auf insgesamt 206 Seiten die Aufgabenbereiche von Staatsinstitutionen neu geordnet werden. In vielen Bereichen wurden Befugnisse direkt dem Präsidialamt unterstellt.
So hat sich Erdogan nun selbst für die Zusammensetzung der Streitkräfte zuständig gemacht: Er wird künftig allein vor allem über die Beförderung der hohen Offiziere entscheiden. Früher war dafür zunächst eine Kommission zuständig, der der Ministerpräsident vorstand. Dessen Position ist aber im neuen System abgeschafft.
Das Präsidialsystem ermöglicht es Erdogan, Dekrete mit Gesetzeskraft zu erlassen. Die Zustimmung des Parlaments braucht er nun nicht mehr. Die Opposition befürchtet eine Ein-Mann-Herrschaft.
Eine wichtige Änderung enthielt auch das Dekret mit der Nummer drei, das Erdogan künftig ermächtigt, den Präsidenten und den Vizepräsidenten der Zentralbank allein zu ernennen. Außerdem wird durch das Dekret die Amtszeit der beiden Spitzennotenbanker des Landes von fünf auf vier Jahre verkürzt.
Der Staatspräsident hatte bereits vor den Wahlen angekündigt, stärkeren Einfluss auf die Geldpolitik nehmen zu wollen. Die Lira hat in diesem Jahr deutlich an Wert verloren. Die Zentralbank hatte dennoch erst nach langem Zögern die Leitzinsen erhöht, denn Erdogan gilt als Gegner hoher Zinsen. Anders als Ökonomen sieht er in hohen Zinsen kein Mittel gegen, sondern einen Grund für eine hohe Geldentwertung. Die Inflation lag im Juni bei mehr als 15 Prozent. Erdogans Ankündigung von mehr Kontrolle hatten Investoren stark verunsichert.
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Dass der Präsident Montagnacht ausgerechnet seinen Schwiegersohn Berat Albayrak zum Chef des wichtigen und vergrößerten Finanzministeriums erklärte, löste weitere Sorgen aus. Albayrak war früher Energieminister und ist in Finanzkreisen ein unbeschriebenes Blatt. Seine Nähe zu Erdogan könnte bedeuten, dass er macht, was der Präsident für richtig hält. Die Lira verlor nach der Verkündung erst einmal mehrere Prozent an Wert./lsy/DP/jha