US-Banken weitaus profitabler als europäische
Experte: „Für mich ist Warren Buffett der perfekte Bankindikator“
Die Deutsche Bank kämpft ums Überleben, während JPMorgan Chase ein Rekordergebnis einfährt. Dies ist kein Einzelfall: Insgesamt können US-Großbanken im ersten Halbjahr ihre Profite steigern, während die europäische Konkurrenz mit Gewinnrückgängen kämpft. Was ist da los und wie können Anleger von dieser Situation profitieren?
Vielen europäischen Banken geht es wie Deutschlands größtem Geldhaus: Die Profitabilität nimmt dramatisch ab. Die US-amerikanische Konkurrenz hingegen fährt die höchsten Gewinne seit der Finanzkrise ein. Die Unternehmensberatung Ernst & Young (EY) kommt in einer aktuellen Studie sogar zum Schluss, dass „US-Banken doppelt so profitabel wie (die) europäische(n) Wettbewerber“ seien.
Peter Thilo Hasler, Gründer und Analyst bei Sphene Capital, kann diesen Trend bestätigen. Exklusiv gegenüber wallstreet:online erklärte er: „In der Tat hat sich in den letzten Jahren die Profitabilitätsschere zwischen europäischen und US-amerikanischen Banken dramatisch ausgeweitet. Ursächlich hierfür sind regulatorische Vorgaben und das von der EZB-auferlegte Niedrigzinsumfeld. Dass diese regulatorischen Vorgaben geradezu kontraproduktiv wirken können, konnten wir nicht zuletzt im Juni dieses Jahres beobachten, als der Finanzstabilitätsausschuss, in dem Bundesfinanzministerium, Bundesbank und Bafin sitzen, erstmalig den antizyklischen Kapitalpuffer von 0,25 Prozent erhoben hat. Dieser war einst mit der Begründung eingeführt worden, in Zeiten eines übermäßigen Kreditwachstums dafür zu sorgen, dass die Banken als Vorsorge für schlechte Zeiten einen zusätzlichen Kapitalpuffer aufbauen. Von derartigen guten Zeiten sind die Banken weit entfernt. Jetzt einen Kapitalpuffer zu erheben, hat geradezu prozyklische Konsequenzen.“
Der Gesamtgewinn der nach Bilanzsumme zehn größten US-Banken stieg im ersten Halbjahr um ein Prozent auf umgerechnet fast 70 Milliarden Euro. Der Gewinn der europäischen Top-10-Banken sank im selben Zeitraum um knapp sechs Prozent auf 26 Milliarden Euro. Das Geldinstitut mit dem besten Konzernergebnis war die US-Großbank JPMorgan Chase: Der Gewinn im ersten Halbjahr lag bei 16,6 Milliarden Euro, so EY.
Die Gewinndiskrepanz zwischen europäischen und US-amerikanischen Großbanken lässt sich auch an der Entwicklung der Marktkapitalisierung ablesen. So stieg laut EY der kumulierte Börsenwert der zehn größten US-Banken seit dem Jahresbeginn bis zum 1. September um zwölf Prozent auf umgerechnet 1,2 Billionen Euro. Der Börsenwert der Top-10-Banken Europas ging in selben Zeitraum um sieben Prozent zurück. Er betrug Anfang September 436 Milliarden Euro.
Mitte August hatte die New York Times berichtet, dass die Beteiligungsgesellschaft Berkshire Hathaway von Starinvestor Warren Buffett ihre Positionen in US-Banken-Aktien im zweiten Quartal deutlich ausgebaut habe. Hathaway gehöre heute zu den fünf größten Aktionären der Bank of America, JPMorgan Chase, Wells Fargo, Goldman Sachs, U.S. Bancorp und Bank of New York.
Peter Thilo Hasler hat sich ebenfalls mit US-Bankenaktien angefreundet. Gegenüber wallstreet: online sagte er: „Im Tagesgeschäft fällt der regulatorische Interventionismus in den USA viel moderater aus. Teilweise werden die einst eingeführten Maßnahmen unter Trump sogar zurückgenommen. Dass davon die Banken profitieren, ist auch Warren Buffett nicht entgangen, der seine Anteile an den Banken im vergangenen Jahr deutlich ausgebaut hat und heute zu den größten Aktionären von Bank of America, JPMorgan Chase und Goldman Sachs zählt. Da er damit im Widerspruch zur herrschenden Meinung steht, wonach sich das Wirtschaftswachstum verlangsamt und die Sorgen um eine Rezession zunehmen, wird ihm nun sogar vorgeworfen, er „hätte es eben nicht mehr so drauf wie früher“. Dabei dürfte Buffett in den vergangenen 50 Jahren nicht ein einziges Mal Geld mit Bankaktien verloren haben. Für mich ist Buffett der perfekte Bankindikator. Insofern kann ich mich mit der Idee durchaus anfreunden, US-Banken ins Depot zu nehmen.“
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Die mittelfristigen Aussichten sind jedoch, sowohl für US- als auch für europäische Banken, eingetrübt. Claus-Peter Wagner, Partner und Leiter der Financial Services Prüfungsabteilung von EY in Europa, erklärte: „In den USA zeigt die Zinskurve nach unten, was auch die Erträge aus dem derzeit noch boomenden Retailbanking bremsen wird. Bislang konnte das starke Verbrauchergeschäft die Schwächen im Investmentbanking kompensieren – das wird in den kommenden Monaten immer weniger möglich sein. Hinzu kommen Sorgen vor einer Eintrübung der Aussichten für die US-Konjunktur.“ Die EZB-Zinspolitik wirke sich indes negativ auf europäische Banken auf: „Auf beiden Seiten des Atlantiks werden die Gewinne im Retailbanking unter Druck geraten, was den Handlungsbedarf gerade bei den weniger profitablen europäischen Banken weiter erhöht“, so Wagner.
Autor: Ferdinand Hammer