Brent und WTI – Neue Ölkrise – Berechtigt oder nur Sturm im Ölfass? - Seite 2
Also alles nur halb so schlimm?
Spielt der Iran die Nordkorea-Strategie?
Die US-Regierung und die Saudis machen den Iran für die Luftangriffe auf die saudischen Ölanlagen verantwortlich. Dagegen bestreitet der Iran jede Tatbeteiligung. Nähme man theoretisch an, der Iran stünde hinter den Anschlägen, würden die USA dann wirklich die Islamische Republik angreifen?
Der Iran beobachtet sehr genau, dass sich Amerika unter Trump dann mit seinen Erzfeinden arrangiert, wenn diese weder diplomatisch, noch wirtschaftlich, noch mit „Feuer und Wut“ in die Knie zu zwingen sind. Hat nicht Nordkorea unter Kim Jong-un erst mit seinen aufsehenerregenden Raketentests für amerikanische Gesprächsbereitschaft gesorgt? Was spricht also dagegen, dass auch Irans Führung mit Machtdemonstrationen im Persischen Golf signalisiert, dass es selbst für die USA unbezwingbar ist?
Amerika ist wirklich geschockt, mit welch geringem Aufwand höchst möglicher Schaden angerichtet werden kann, ohne geeignete Gegenmaßnahmen ergreifen zu können. Drohnenattacken haben ab sofort ein sehr reales Bedrohungsszenario für die Ölversorgung aus dem Golf geschaffen. Daneben ist die Straße von Hormus, über die knapp ein Drittel der seeseitigen Ölexporte und knapp 20 Prozent der weltweiten Produktion verschifft wird, ein Nadelöhr, das die Iraner so mühelos kontrollieren wie Löwen eine seltene Wasserstelle in der Wüste.
Wie wahrscheinlich ist ein Krieg im Persischen Golf?
Grundsätzlich würde ein amerikanischer Vergeltungsschlag auf den hochgerüsteten Iran das Pulverfass Mittlerer Osten explodieren lassen, wo unterschiedlichste Interessen zahlreicher Konfliktparteien unmittelbar aufeinanderprallen. Amerika müsste mit hohen Verlusten rechnen. Seit dem Zweiten Weltkrieg haben die USA mit „Befreiungsaktionen“ – siehe Vietnam, Irak, Afghanistan – so schlechte Erfahrungen gemacht, dass mittlerweile selbst hartgesottenen republikanischen Wählern Federn von Friedenstauben wachsen. Gerade deswegen hat Trump seiner Anhängerschaft ja versprochen, Amerika werde die Rolle als Weltpolizist abgeben und keine großen neuen Militärinterventionen mehr eingehen. Und tatsächlich hat Trump bereits im Juni auf vermeintlich iranische Angriffe auf Tanker im Golf nicht mit der Feuerung von Raketen, sondern später mit der von seinem außenpolitisch scharfmachenden Sicherheitsberater John Bolton reagiert.