This Means War
Die ganze Woche über habe ich gegrübelt, ob ich in meiner Kolumne erneut über Parallelitäten der Gegenwart zu den 20er, 30er und 40er Jahren schreiben soll?
Soll ich darüber schreiben, wen Bodo Ramelow wohl mit den KZ-Überlebenden von Buchenwald meint, diejenigen der Nazis oder diejenigen der Gründer seiner Partei, der SED, die das Lager noch bis 1950 weitergeführt und dort systemkritische Menschen gefoltert und verhungern gelassen haben?
Soll ich darüber schreiben, dass der Faschismus sich ursprünglich eigentlich auf linke und sogar anarchistische italienische Arbeiterbewegungen bezog, und die SPD daher in ihrem selbstzitierten Kampf gegen den Faschismus entweder sich selbst bekämpft oder den Faschismus bereits länger bekämpft hat, als er überhaupt existiert?
Als ich das immer noch überlege, gehe ich in den Biomarkt. Ich hasse den Biomarkt, doch beim Rewe war mein Vollkornbrot ausverkauft. Was bedeutet der Name eigentlich?, frage ich die Verkäuferin, als sie mir das Essener Brot einpackt, das sie jedoch Esséner ausspricht.
Sie meint, sie wisse es nicht genau, aber die Esséner seien in früher Zeit wohl ein Volk gewesen ….. Volk?, unterbreche ich sie und sage: So etwas dürfen Sie doch heute nicht mehr sagen! Denn dann schicken die linksgrünen Blockparteien schnell ihre Antifa-Rollkommandos, und dann ist es aus mit dem Bioladen hier.
Ich merke sofort, dass sie das nicht besonders lustig findet. Und auch die Grünteetrinkerinnen, die neben mir stehen, machen kein wirklich erbauliches Gesicht.
Als ich schließlich mit dem Rad nach Hause fahre, finde ich das ehrlich gesagt auch nicht mehr lustig. Nein, denke ich, so etwas mache ich nicht noch einmal. Heute machen selbst die Witze traurig, deshalb lasse ich das lieber sein.
Glücklicherweise begegnet mir in diesem Moment der Briefträger und gibt mir den Umschlag mit der CD, die ich mir auf Empfehlung meines Musikfreundes Uwe bestellt habe. The Beloved, das erste Album von 1987, jetzt wiedererschienen.
Zu Hause höre ich sofort hinein. Ich kannte diese Band gar nicht und bin überwältigt, was es tatsächlich immer noch für Schätze zu entdecken gibt. Beim vierten Lied bleibe ich hängen, es ist schlicht wunderbar. Und heißt: This Means War.
Ich habe keine Ahnung von dem Text, ich verstehe ihn nicht, trotzdem ist mir von einer Sekunde auf die andere plötzlich alles klar.
Natürlich, wir haben derzeit Krieg. Da draußen in den Medien tobt ein Krieg. In der Politik ist Krieg, in der Zeitung, im Fernsehen, sie alle kämpfen, wie sich das für einen ordentlichen Krieg gehört, in einheitlicher Gesinnung gegen einen gemeinsamen Feind. Das ist übel, doch es ist weder meine Schuld noch mein Ding.
Dieser Krieg ist allerdings ein besonderer Krieg, denn im Vergleich zu den Kriegen, die unsere Eltern und Großeltern durchmachen mussten, ist es ein Krieg, zu dem keiner hingehen muss. Stell dir vor.
In diesem Moment wird mir das zum ersten Mal wirklich klar. Das macht mich glücklich. Es ist Krieg, doch ich muss nicht mitmachen. Und plötzlich bin ich frei. Juchhu, ich bin frei!
berndniquet@t-online.de