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    Vom Fondsmanager zum Finanzblogger  11867  0 Kommentare Exklusiv-Interview mit Philipp Haas: „Wenn man einen Volltreffer landet, sollte man diesen auch möglichst weit reiten“

    Philipp Haas hing seinen gutbezahlten Job als Fondsmanager bei DJE Kapital an den Nagel, um Finanzblogger zu werden. Wie kam es dazu und welche Tipps hat der Aktienexperte für Anleger? wallstreet:online bat den vielleicht außergewöhnlichsten Finanzblogger Deutschlands zum Gespräch.

    wallstreet-online: Sie haben 1,5 Jahre als Fondsmanager bei DJE Kapital gearbeitet. Wie kam es dazu und warum haben Sie beschlossen stattdessen als Finanzblogger zu arbeiten?

    Philipp Haas: Ich sehe den volkswirtschaftlich größten Hebel für Deutschland darin, dass mehr Menschen hier ihr Geld besser und produktiv anlegen. Ich möchte daher über meinen Youtube-Kanal, (Philipp Haas - investresearch TV), Newsletter und investresearch.net möglichst viele Menschen erreichen und für die langfristige und eigenständige Aktienanlage begeistern.

    Ich habe seit Jugendtagen große Leidenschaft und Interesse für Aktien und Unternehmertum. Beides konnte ich in meinem Job als Fondsmanager langfristig nicht ausreichend zusammen verwirklichen. Außerdem wollte ich auch etwas aufbauen können, was nicht nur an der Entwicklung der Aktienkurse hängt, über die man kurzfristig keine Kontrolle hat. Letztendlich sollte man auch den Mut haben etwas zu verändern, wenn einem der aktuelle Job nicht mehr so Spaß macht, die Lernkurve abflacht und es vielleicht auch kulturell nicht mehr passt. Außerdem habe ich inzwischen auch einen eher langfristig und wachstumsorientierten Investmentstil gefunden, der auch auf Wikifolio einsehbar nachweislich für mich funktioniert, aber aus dem sich natürlich auch unterschiedliche Auffassungen zu Aktien und Fondsstrategie ergeben können.

    Eine weitere Rolle für meine Kündigung hat sicherlich auch die anstehende Geburt unserer Zwillinge gespielt, da ich erstmal zeitlich und örtlich flexibler arbeiten wollte. Insgesamt erschien der Weg in die Selbstständigkeit größere Chancen, bei für mich überschaubaren Risiken zu bieten. Da es rechtlich schwierig war, dass ich den Fonds freiberuflich weiter verwalte, wurde er danach mit einem größeren fusioniert.

    Bei DJE habe ich allerdings tiefe Einblicke in die Fondsbranche erhalten und mich auch als Investor nochmals weiterentwickelt. Dabei waren viele spannender Unternehmensmeetings auf der ganzen Welt hilfreich und auch unser Research Team hatte eine schöne Größe, wo man das Marktgeschehen in allen Branchen mitbekommen hat. Möglicherweise kann ich dies in der Zukunft nutzen, wenn ich noch andere Dinge machen sollte als Aktieninvestor und Finanzblogger zu sein.

    wallstreet-online: Welche drei Börsenbücher haben Sie als Investor am meisten beeinflusst?

    Philipp Haas: Da ist es wirklich schwierig drei Bücher herauszugreifen, da ich wirklich Hunderte gelesen habe. Bei Interesse findet man zu einigen Büchern Zusammenfassungen auf meiner Webseite investresearch.net. Persönlich finde ich Bücher am besten von oder über sehr erfolgreiche Investoren. Da fallen mir die Interviews von Jack Schwager (Market Wizards)* ein, aber auch die Geschäftsberichte von Berkshire Hathaway von Warren Buffet. Genauso "One Upon Wallstreet"* von Peter Lynch oder "The Little Book That Beats The Market"* von Greenblatt fand ich bereichernd. Außerdem kann ich Michael Lewis ("The Big Short"*) und Roger Loewenstein ("When Genius Failed"*) empfehlen.

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    Buchtipps von Finanzblogger Philipp Haas


    wallstreet-online: Welchen Rat würden Sie Börsenneulingen geben?

    Philipp Haas: Lesen, mit kleinem Geld anfangen und sich eine Nische suchen, wo man einen Bezug durch Hobby oder Beruf hat. Hier habe ich dann auch oft Vorteile gegenüber den sogenannten Profis. Heutzutage kann ich über Bücher* oder auch über Youtube vieles Lernen. Gerade am Anfang sollte man sein Depot auch breit streuen, um das Einzelrisiko zu senken und von seinen Fehlern zu lernen.

    wallstreet-online: Was war Ihr größter Börsenerfolg?

    Philipp Haas: Von der reinen Performance müsste es die Hypoport Aktie gewesen sein, die ich für ca. 9 Euro gekauft habe und immer noch eine kleine Restposition habe. Im Nachhinein hätte man natürlich noch länger halten sollen (Aktie steht heute bei fast 400 Euro), was ich bei den zukünftigen Tenbaggern besser machen möchte. Wenn man einen absoluten Volltreffer landet, sollte man diesen auch möglichst weit reiten.

    wallstreet-online: Was war Ihr größter Misserfolg an der Börse?

    Philipp Haas: Der relevanteste Misserfolg in meiner Erinnerung ist Getgoods-Aktie, die sich fast als Totalverlust herausstellte. Trotz zunächst gutem Wachstum stellte sie sich als Luftnummer heraus. Sie war eventuell sogar ein Betrug. Während dieser Zeit hatte ich mich schon gewundert wie ein relativ schlechtes Team in so einem wettbewerbsintensiven Umfeld (Elektronikartikel online) stärker als Wettbewerber wachsen konnte. Aus meiner Fehleranalyse habe ich dann das Aktienbewertungsmodell des fairen KGV´s erfunden, was auch auf investresearch.net erklärt wird und das Managementteam stark in die Aktienanalyse einbezieht. Daher war die Aktie vielleicht sogar ein großer persönlicher Gewinn für mich.

    wallstreet-online: Worin investieren Sie heute und welche Strategie verfolgen Sie?

    Philipp Haas: Frei nach Warren Buffet versuche ich möglichst gute Firmen zu möglichst niedrigen Preisen zu kaufen, was der Kern des Modells des fairen KGV´s ist. Dabei wird eine Firma nach 16 Kriterien auf die Qualität beurteilt und daraus ein der Qualität der Firma entsprechendes faires KGV abgeleitet. Mit dem QFMA Modell wird dies noch um die Elemente langfristiges Momentum und Alpha-Idee erweitert, wodurch Aktien noch höher gewichtet werden. Eine Alpha-Idee wäre, dass man auf etwas spekuliert, was im Markt noch nicht verstanden wird und es daher im Kurs nicht enthalten ist. Wenn man dabei falsch liegt, ist es auch nicht so schlimm, da es ja nicht im Kurs drin war. Außerdem habe ich als Risikomodell noch die investresearch Makromatrix entwickelt, die auch in der Corona-Krise gut funktioniert hat. Hier untersuche ich die fünf großen Weltregionen nach Bewertung, Momentum, Realwirtschaft, Zinssituation und Sentimentrisiken. Ein Blick auf meine Wikifolios kann das bestätigen.

    Wer ist eigentlich Philipp Haas?

    Philipp Haas ist leidenschaftlicher Investor. Er studierte Banking & Finance, BWL und Internationale Beziehungen an der Universität St. Gallen. Danach beschäftigte er sich beruflich bei Holtzbrinck Digital und einem Family Office mehr mit Investments und dem Aufbau von Start-ups. Außerdem war er bei DJE Kapital, einer führenden Fondsgesellschaft in Deutschland mit ca. 14 Mrd. Euro verwaltetem Vermögen, als Fondsmanager tätig. Haas analysierte dort unter anderem die großen internationalen Plattformunternehmen und Konsumthemen und verwaltete einen global anlegenden Aktieninvestmentfonds. Seit der Geburt seiner Zwillinge ist er selbstständiger Privatinvestor, wikifolio-Trader, Finanz-Youtuber und Blogger (investresesearch.net).


    wallstreet-online: Wie stehen Sie zu dem Thema ESG und schließt Sie bestimmte Investments aus ethischen und/oder Klimaschutzgründen aus?

    Philipp Haas: ESG ist ja ein neues Hypethema, auf das sich jetzt auch fast jeder stürzt, auch die, die eigentlich nichts mit ESG am Hut haben. Auch sind die Beurteilungen von externen Agenturen oft suboptimal. Ich habe ein Wikifolio Nachhaltige Dividendenstars, in dem ich mit einem wachen Auge darauf achte. Qualitätsfirmen sind auch meist gut bei ESG, was übrigens auch ein Rankingfaktor bei meinem Modell des fairen KGV´s ist. Ich glaube zum Beispiel nicht an Ölfirmen oder traditionelle Automobilhersteller wegen den strukturellen Aussichten und ich investiere gerne in Firmen, die die Welt ein bisschen besser machen. Nur weil aber irgendeine Ratingagentur eine Firma wegen einer Tochterfirma zum Beispiel aufgrund von Genmais schlecht bewertet ist, ist das für mich noch kein Ausschlusskriterium. Da bilde ich mir lieber selbst meine Meinung.

    wallstreet-online: Nach dem Corona-Crash an den Aktienmärkten im März 2020 fragen sich viele Investoren, wie es jetzt weitergeht. Glauben Sie, dass der Corona-Crash schon überstanden ist?

    Philipp Haas: Man sollte immer vorsichtig sein, wenn Börsenmenschen Entwicklungen mit hoher Sicherheit etwas vorhersagen. Dies ist an der Börse nicht möglich. Ich konzentriere mich vor allem auf Aktien. Hier hat eine Beschleunigung in der Digitalisierung stattgefunden, weswegen es dort weniger böse Überraschungen geben sollte. Die erste Phase war eine Liquiditätskrise, in der alles verkauft worden ist. Diese Phase haben wir wohl nun hinter uns. Nun werden wir in einigen Sektoren eine Wirtschaftskrise sehen. Wie schlimm es wirklich wird und ob es sich dann noch zu einer Finanzkrise und politischen Krise weiterentwickeln wird, weiß ich nicht. Die Risiken sind jedoch hoch und die wenigsten hätten wohl vermutet, dass viele Investmentprodukte wieder auf neuen Höchstständen notieren - wie auch viele meiner Depots und Wikifolios.

    Die Frage ist, was die Alternativen zu Aktien mittelfristig und langfristig sind. Die einfachste Lösung der neuen Schuldenkrise wird Inflation sein. Ich würde sogar behaupten, dass ohne Inflation die politischen Risiken im Nachgang extrem zunehmen werden. Schon seit der Eurokrise wird ja versucht diese zu erzeugen. Nur so kann der Staat sich relativ geräuschlos entschulden. Eine echte Inflation von drei bis vier Prozent bei null Prozent Nominalzins wäre wohl aus dieser Sicht ideal. Dies ist so ähnlich wie beim Frosch im heißen Wasser: Wenn man das Wasser nur langsam erwärmt, bleibt er drinnen und wird gekocht. Wenn man ihn direkt in kochendes Wasser schmeißt, springt er raus. Das meine ich jetzt auch gar nicht zwingend negativ, denn als Politiker/Zentralbanker würde ich wohl das Gleiche tun. Das größte Risiko könnte daher auch sein, kein Risiko einzugehen. Denn der deutsche Sparbuchsparer wird dadurch die Krise mit zahlen, ohne es zu merken. Daher führt meiner Meinung nach auch bei konservativ gemanagten Depots an guten Digitalaktien kein Weg vorbei. Dies scheinen nun auch immer mehr junge Menschen zu merken. Insgesamt ist das Interesse an Aktien in den letzten Monaten massiv gewachsen. Vielleicht ist dies auch kein Strohfeuer, sondern der Beginn einer neuen Bewegung der eigenständigen und aktienfokussierten Geldanlage in Deutschland.

    wallstreet:online: Herr Haas, vielen Dank für das Gespräch.

    Das Interview führte Ferdinand Hammer, stellvertretender Chefredakteur bei wallstreet:online.

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    Verfasst vonFerdinand Hammer
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