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     2704  0 Kommentare Vietnamesen mögen Amerikaner und reiche Menschen

    Man sollte glauben – und es wäre nach dem Krieg allzu verständlich -, dass die Vietnamesen antiamerikanisch eingestellt sind. Aber das Gegenteil ist der Fall. Und: Vietnamesen bewundern Reiche und kennen kaum Sozialneid.

    Zitelmann am 16.9.22 in Hanoi. Thema „Psychologie der Superreichen“

    Die Folgen des Vietnamkrieges waren für das Land verheerend. Die chemischen Massenvernichtungswaffen, die die USA einsetzten - wie etwa das Entlaubungsmittel "Agent Orange" - trafen nicht nur die kommunistische Befreiungsarmee, sondern hauptsächlich die Zivilbevölkerung. Auch Napalmbomben richteten große Verluste unter der zivilen Bevölkerung an. Alleine die Südvietnamesen hatten Verluste von 1,5 Millionen Menschen, darunter auch 300.000 tote Zivilisten. Die USA verloren 58.200 Soldaten und weitere 300.000 wurden verwundet. Die zivilen Verluste Nordvietnams fielen im Vergleich zum Süden weit geringer aus, dafür verloren sie weit mehr Soldaten. 

    „Im Norden“, so schreibt Tam T. T. Nguyen in einem Buch über „Vietnam und sein Transformationsweg“, „wurden die Hauptindustriezentren und weite Teile der Infrastruktur zerstört. Sämtliche Industriebetriebe wurden vernichtet. Drei der sechs größten Städte, 12 von 29 Provinzhauptstädten. Zwei Drittel der Dörfer waren zerstört. Total zerstört waren auch sämtliche Elektrizitätswerke, Bahnhöfen, Häfen, Brücken, Straßen und das gesamte Bahnnetz. Im Süden Vietnams waren ebenfalls zwei Drittel der Dörfer zerstört, fünf Millionen Hektar Wald wurden vernichtet und 20 Millionen Bauern verloren ihre Häuser.“ 

    Kein Antiamerikanismus in Vietnam

    Angesichts dieser Zerstörungen und all des Leides, das die Menschen erlitten, wäre es nicht verwunderlich, wenn es gerade in Vietnam einen starken Antiamerikanismus gäbe. Doch der Antiamerikanismus ist in weiten Teilen der Welt größer als in Vietnam. Nicht nur in arabischen Ländern oder in Russland, auch in vielen europäischen Ländern wie etwa in Deutschland oder Frankreich wird man mehr Antiamerikanismus finden als in Vietnam.

    1998 heiratete der amerikanische Botschafter in Hanoi eine Vietnamesin – er hatte im Krieg 60 Bombenangriffe auf Nordvietnam geflogen, bevor er 1966 abgeschossen wurde und dann sieben Jahre in vietnamesischer Kriegsgefangenschaft verbrachte. Die Hochzeit fand damals noch große Aufmerksamkeit.

    Ich war einige Jahre mit einer Frau zusammen, deren Eltern aus Vietnam kamen und habe weder sie noch ihre Eltern jemals schlecht über Amerikaner reden hören. Dinh Tuan Minh, ein Wissenschaftler von einem dezidiert marktwirtschaftlichen Thinktank, den ich vor einigen Tagen in Hanoi traf meinte: „Wir Vietnamesen schauen nicht zurück in die Vergangenheit, sondern in die Zukunft. Wir haben, anders als mit China, mit den USA keine territorialen Differenzen. Viele Vietnamesen schätzen es auch, dass die Arbeitsbedingungen in amerikanischen Firmen, die bei uns investieren, oftmals besser sind als in asiatischen Firmen, die in Vietnam investieren. Außerdem wissen die Menschen in Vietnam, dass die USA für uns heute das wichtigste Exportland sind.“ In der Tat exportierte Vietnam 2020 so viel in die USA wie China und Japan, die an zweiter und dritter Stelle stehen, zusammen.


    Rainer Zitelmann
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    Dr. Dr. Rainer Zitelmann ist Historiker, Politikwissenschaftler und Soziologe - und zugleich ein erfolgreicher Investor. Er hat zahlreiche Bücher auch zu den Themen Wirtschaft und Finanzen* geschrieben und herausgegeben, viele davon sind in zahlreiche Sprachen übersetzt worden. * Werbelink
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    Verfasst von Rainer Zitelmann
    Vietnamesen mögen Amerikaner und reiche Menschen Man sollte glauben – und es wäre nach dem Krieg allzu verständlich -, dass die Vietnamesen antiamerikanisch eingestellt sind. Aber das Gegenteil ist der Fall. Und: Vietnamesen bewundern Reiche und kennen kaum Sozialneid.