Carpaccio von Rügener Schwänen
Es ist herrlich, Börsianer zu sein
Gerade komme ich von der vorpommerschen Ostseeküste zurück. Habe die Schwärme von Zugvögeln beobachtet, wie in jedem Jahr. Wie unspektakulär doch die Realität gegenüber dem Fernsehen ist. Wie harmlos dieser kleine Ausschnitt, den wir mit eigenen Augen sehen und mit unseren Sinnen wahrnehmen, gegenüber der konzentrierten Verdichtung, die uns die Medien liefern. Plötzlich wird die ganze Welt in einem Punkt vereint. Und nichts anderes zählt mehr. Man ist gefangen – ein Draußen existiert nicht mehr.
Jetzt bin ich glücklicherweise wieder Börsianer. Es ist herrlich, Börsianer zu sein. Hier muss man sich zwar stets über alles Sorgen machen, aber nicht wirklich. Nichts kann einen Börsianer wirklich bedrücken, denn er kann ja stets seine Position aufgeben und die Seite wechseln. Eine große Katastrophe? Wie schrecklich! Eine große Katastrophe? Wie herrlich! Mag sie nur schnell und gründlich kommen!
Markt und Börse sind denn auch der tatsächliche Triumph des Westens. Alles hat seinen Preis – und jeder Preis vereinigt Alles. Ein Moslem kann nicht so schnell die Seite wechseln. Ein Börsianer hingegen schafft das durchaus täglich mehrmals, wenn er es will. Zudem gibt es an Märkten keine Worte und keine Bilder – und schon gar keine Karikaturen. Zwar malen manche Menschen hier auch Bilder, doch das eher mit bescheidenem Erfolg. Der Markt kennt nur Zahlen und hinterlässt in der Mitte ein großes Vakuum. Das ist der große Erfolg des Westens.
Doch dann kommen immer wieder Menschen, die glauben, man könne die Probleme nicht mit Ökonomismus lösen. Wer allerdings einmal von den alten Fesseln befreit ist, kann nicht mehr eingefangen werden. Neue Werte gibt es nur mit neuen Menschen. Gerade wir Deutschen sollten derartige Dinge nicht einmal mehr denken, denke ich.
„Warum besitzen Restaurants eigentlich keine Schweine mehr, die die Reste vertilgen?“ frage ich den Chef des Strandrestaurants. Er sagt, die hygienischen Anforderungen seien viel zu hoch, um so etwas zu praktizieren. Es ist eine merkwürdige Zeit, in der wir leben. Die Regulierung wächst mindestens so schnell wie der Markt selbst. Also: Du bist Deutschland! Da siehste, Du bist angekettet! (Dazu brauchst du gar keine Religion mehr!)
Aber was soll es. Jetzt erst einmal den Dax auf die 6.000 Punkte und dann ein schönes Festessen zur Feier: Zuerst ein Carpaccio von Rügener Schwänen. Und dann Schweinefleisch satt. Bis zum Abwinken.