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     2244  0 Kommentare Eine gigantische Erektion

    Viereinhalb Millionen im Monat

    „Der Abend war wunderschön“, sagt er zu mir, während wir im Fahrstuhl des großen Hotels aus Glas und Stahl standen, „ich ging hinauf zur Akropolis. Dort sah ich den schönsten Regenbogen, sein Fuß ruhte auf der Kapelle des hohen Berges. Ich dachte daran, wie zu Hause die Uhr tickt und mein Geld sich vermehrt, und ich bekam eine heftige Erektion.“

    Im 12. Stock hielt der Fahrstuhl kurz: „Die Sonne ging unter, noch war der Regenbogen da. Die Luft wurde purpur, und in diesem Purpur sah ich den Regenbogen noch immer. Ich überlegte mir, wie schwer die Menschen arbeiten müssen und wie leicht ich mein Geld verdiene. Meine Hose beulte sich gigantisch aus, und ich bekam eine heftige Erektion.

    Wilde Erdbeeren rankten an antiken Säulen, oh welche Pracht und Ruhe lag in dem Ganzen. Unten das Gewimmel der Menschen und ich hier oben ganz alleine. Alleine von den Tantiemen dieses Jahres könnte ich die ganze Familie über Jahrzehnte hinweg ernähren. Ich dachte an meinen Erfolg und die enorme Sinnlichkeit des leichten Geldmachens und bekam eine so heftige Erektion, dass den Abstieg von der Akropolis um einige Zeit verschieben musste. Die Natur hatte mich mit Kontemplativen gesegnet.“

    Dann musste ich ausstiegen. Er fuhr bis zum obersten Stockwerk. Naturgemäß, schließlich ist es sein Hotel. Vor wenigen Wochen hat er es aus einer Laune heraus gekauft. Vorher hatte er mir noch von seinem neuen Job erzählt. 55 Millionen Dollar hat er dort im letzten Jahr verdient. Also viereinhalb Millionen im Monat, 150.000 am Tag. Ein richtiger Prachtkerl. Wäre Mutti nicht schon tot, wäre sie bestimmt stolz auf ihn, den kleinen Racker. Aber so? Was soll das alles so?




    Bernd Niquet
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    DER NEUNTE BAND VON "JENSEITS DES GELDES" IST ERSCHIENEN: Bernd Niquet, Jenseits des Geldes, 9. Teil, Leipzig 2023, 648 Seiten, 23,50 Euro

    Leseprobe: "Jenseits des Geldes".

    Eigentlich war ich vollkommen sicher, dass jetzt die Zeit dieser ganzen Auseinandersetzungen hinter mir lag. Deswegen hatte ich auch extra meine Mietrechtschutzversicherung gekündigt. Dann habe ich aber doch einmal in die Betriebskostenabrechnung hineingeschaut und musste unwillkürlich rechnen. 29.220 Euro im Jahr 2018 für die Reinigung der Treppen und Flure, das sind 93 Euro pro Haus pro Woche. Ich würde das jeweils in zehn Minuten schaffen, doch selbst wenn die ungelernte Hilfskraft zwanzig Minuten braucht, sind das 279 Euro Stundenlohn, den die Leiharbeitsfirma dafür einfährt. Wer dabei nicht an Sizilien denkt, kann eigentlich nicht mehr voll bei Verstand sein.

    Bernd Niquet ist Jahrgang 1956 und wohnt immer noch am letzten grünen Zipfel der Failed Stadt Berlin. Die ersten acht Teile von „Jenseits des Geldes“ sind ebenfalls im Engelsdorfer Verlag erschienen, und zwar in den Jahren 2011, 2012, 2013 sowie 2018, 2019, 2020, 2021 und 2022.

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    Verfasst von Bernd Niquet
    Eine gigantische Erektion Viereinhalb Millionen im Monat „Der Abend war wunderschön“, sagt er zu mir, während wir im Fahrstuhl des großen Hotels aus Glas und Stahl standen, „ich ging hinauf zur Akropolis. Dort sah ich den schönsten Regenbogen, sein Fuß ruhte …