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     2873  0 Kommentare Vollmond-Börse


    Irgendetwas stimmt hier nicht

    Der alte, in der Schule gelernte Vers spukt weiterhin im Kopf herum: Remember, remember the fifth of November. Gunpowder, treason and plot. I see no reason why they should ever be forgot.

    Vielleicht werde ich mich in diesem Jahr jedoch eher an den 13. November erinnern. Im Vorfeld dieses Vollmond-Tages hat mir ein Leser die Weissagung des US-Börsenastrologen Arch Crawford, den ich noch aus Bernd-Förtsch-Zeiten, Gott hab´ ihn selig, her kenne, zukommen lassen.

    Und dieser Crawford behauptete doch tatsächlich, dass an diesem 13. November kurz vor Börsenschluss die Kurse gewaltig drehen werden. Erleben wir vorher stark fallende Kurse, dann werden sie anschließend haussieren, schrieb er. Haben wir es jedoch mit einer Erholung zu tun, wird diese schlagartig umschlagen. Und dieser Wechsel könnte sogar eine ganz grundsätzliche Wende in der Anlegerstimmung bedeuten, hieß es weiter.

    Natürlich habe ich gelacht und gespottet. Die Sterne, das ist ja zum Lachen. Doch als ich am Freitag Morgen dann las, was sich am Donnerstag an der Wallstreet abgespielt hatte, staunte ich nicht schlecht. Selten hat es eine entscheidendere Kehrtwende an einem Tag gegeben. So fiel der Dow erst unter die 8.000er Marke und schoss dann jedoch von dort aus bis zum Handelsschluss um über 10 Prozent in die Höhe.

    Derweil schlief ich selbst trotz Vollmond sanft in meinem Bette. Das alles ist völlig unerklärlich. Wie kann der Mond die Aktien bestimmen, mir jedoch nicht den Schlaf rauben? Sind die Menschen tatsächlich mondgesteuert und nur ich nicht? Und liegt in der Anziehungskraft dieses dunklen und kahlen Planeten tatsächlich unser Schicksal vergraben? Und das unserer Aktien auch?

    Als ich jedoch am Wochenende vom heftigen Kursverfall der Wall Street am Freitag zum Handelsschluss lese, bin ich fest erleichtert. Damit geht die Baisse zwar weiter und tritt vielleicht sogar in ein neues Stadium ein. Und alle Erholungsträumereien sind mal wieder ausgeträumt. Trotzdem jedoch spüre ich ein wundervolles Gefühl von Freiheit, dass mich stark und glücklich macht. Denn von den freitäglichen Kalamitäten hat Crawford nichts gesagt.

    Wir sind also doch frei! Wir sind frei und unabhängig und machen folglich unser Ding! Völlig losgelöst. Der Mond kann uns deshalb auch weiterhin den Buckel herunter rutschen, Arch Crawford uns in der Wüste begegnen und die Aktienkurse uns sogar am Arsch lecken. Davon lassen wir uns doch nicht beeindrucken.


    Bernd Niquet
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    DER NEUNTE BAND VON "JENSEITS DES GELDES" IST ERSCHIENEN: Bernd Niquet, Jenseits des Geldes, 9. Teil, Leipzig 2023, 648 Seiten, 23,50 Euro

    Leseprobe: "Jenseits des Geldes".

    Eigentlich war ich vollkommen sicher, dass jetzt die Zeit dieser ganzen Auseinandersetzungen hinter mir lag. Deswegen hatte ich auch extra meine Mietrechtschutzversicherung gekündigt. Dann habe ich aber doch einmal in die Betriebskostenabrechnung hineingeschaut und musste unwillkürlich rechnen. 29.220 Euro im Jahr 2018 für die Reinigung der Treppen und Flure, das sind 93 Euro pro Haus pro Woche. Ich würde das jeweils in zehn Minuten schaffen, doch selbst wenn die ungelernte Hilfskraft zwanzig Minuten braucht, sind das 279 Euro Stundenlohn, den die Leiharbeitsfirma dafür einfährt. Wer dabei nicht an Sizilien denkt, kann eigentlich nicht mehr voll bei Verstand sein.

    Bernd Niquet ist Jahrgang 1956 und wohnt immer noch am letzten grünen Zipfel der Failed Stadt Berlin. Die ersten acht Teile von „Jenseits des Geldes“ sind ebenfalls im Engelsdorfer Verlag erschienen, und zwar in den Jahren 2011, 2012, 2013 sowie 2018, 2019, 2020, 2021 und 2022.

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    Verfasst von Bernd Niquet
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