Chart of Doom
Schreckensszenario - Folgt ein Crash auf den Aktienmärkten?
Ein grafischer Vergleich der Börsenkursentwicklung des Dow Jones von 1928 bis 1930 und der heutigen Kursentwicklug versetzt die Börsenwelt derzeit in Angst und Schrecken. "Chart of Doom" heißt sie und zieht erschreckende Parallelen zwischen heute und dem Börsencrash von 1929. Anleger sind verunsichert und fragen: Folgt dem "Chart of Doom" der "Crash of Doom"?
Der Börsenchart macht seinem Namen auf den ersten Blick alle Ehre. Die Entwicklungen von 1929 und heute erscheinen nahezu deckungsgleich, selbst die Hochs und Tiefs des generellen Aufwärtstrends stimmen überein. Genau wie heute verzeichnete der Dow Jones von Anfang 1928 bis September 1929 einen steilen Aufstieg. Doch was folgte, war eine Talfahrt ins Bodenlose. Innerhalb weniger Tage brach der Dow Jones um 25 Prozent ein. Das im Oktober 1929 noch bejubelte Rekordhoch von 381 Punkten, es war zwei Monate später nur noch halb so viel wert.
Folgt man der Logik des "Chart of Doom", stehen wir momentan an der Schwelle zum Absturz. Die Aktienkurse müssten sich folglich noch in diesem Jahr halbieren. Genügend Stoff also für ein wahres Schreckensszenario. Verständlich daher der Aufruhr in den sozialen Netzwerken. Aber auch die Wall Street selbst wird von einer Welle der Verunsicherung erfasst. Wie die "Welt" berichtet, werden Börsenexperten mit Fragen rund um den "Chart of Doom" überhäuft. Er sei schon mehr als 40 Jahre im Geschäft, aber so eine Reaktion habe er noch nicht erlebt, zitiert das Blatt Jeffrey Saut, Chefstratege beim Brokerhaus Raymond James. Doch sind die Aktienkurse wirklich dem Untergang geweiht?
Ein zweiter Blick lohnt sich
Auf den ersten Blick sind die Ähnlichkeiten zwischen 1929 und heute frappierend, aber eben nur auf den ersten. Schaut man genauer hin, so erkennt man, dass selbst die oberflächliche Ähnlichkeit trügt. Tatsächlich wurden die Skalen der beiden Kurven angepasst, damit sie übereinander liegen. Auch inhaltlich seien die Entwicklungen von damals nicht mit heute zu vergleichen, sagen Experten. Beispiel: Der Umgang von Notenbanken bzw. der Politik mit Krisen hat sich verändert. Im Jahr 1929 wurde versucht, dem drohenden Crash mithilfe einer Anhebung des Leitzinses entgegenzuwirken und Geld damit teurer zu machen. Dem ist heute nicht so. Im Gegenteil, die US-Notenbank hält den Leitzins auf konstant niedrigem Niveau und auch in Europa ist der Leitzins weiter auf Rekordtief.
Anders sieht es bei den sogenannten "Margin Debts" aus. Hier sieht die "Welt" eine nicht ganz von der Hand zu weisende Parallele. "Margin Debts" hatten an der Wall Street zuletzt ein Volumen von 445 Milliarden Dollar – bisheriger Rekord. Doch auch in diesem Fall muss der Ähnlichkeit nicht zwangsläufig ein neuer Börsencrash folgen. Da mit steigenden Aktienkursen auch das Volumen der Verschuldung steigt, seien "Margin Debts" eher ein nachlaufender Indikator und kein böses Omen, so die "Welt".
Viele Experten kommen deshalb zu dem Ergebnis, dass es sich bei dem "Chart of Doom" um reine Panikmache handelt. Auch Wallstreet:Online-Gastautor Heiko Aschoff rät: Lassen Sie sich nicht ins Bockshorn jagen.
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Hinweis auf Nervenkostüm der Anleger
Und trotzdem sollte man die Reaktionen ernst nehmen. Denn sie können Aufschluss geben über das Nervenkostüm vieler Anleger, bei denen die Erinnerung an die jüngsten Crashs von 2000 und 2008 noch frisch sind. Genau aus diesem Grund könnten solche Parallelen, wie sie der Chart suggeriert, auch eine eigene Realität schaffen, indem sie Investoren zu falschen Entscheidungen drängen, warnt beispielsweise Joshua Brown, Herausgeber des Börsenbriefs "The Reformed Broker", in der "Welt". Darüber hinaus werden etwaige Untergangszenarien durch das Verhalten erfahrener Spekulanten genährt. Der als „Meisterspekulant“ geltende George Soros hat laut aktuellem Rechenschaftsbericht 1,3 Milliarden Dollar auf fallende Kurse gesetzt – die größte Position in seinem Fonds. (Siehe Artikel: Soros setzt mit Short-Position Milliarden auf fallende Kurse)